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100 Wolfgang Meixner und Gerhard Siegl
Leipzig absolvierte und bei denen er davon angetan war, „welch vornehme Menschen ge-
rade unter den Armen und Verlassenen sich finden“ lassen10. Die katholische Gesinnung
war ihm nicht nur gesellige Heimat, sondern auch Lebensschulung durch Vortrags- und
Diskussionsrunden. Wopfner stand in Leipzig in regem Austausch über Fragen der Welt-
anschauung und Religion mit „freisinnigen“ sowie „sozialistischen“ Studienkollegen. Be-
reits in Innsbruck hatte er an bestehenden „schöngeistigen“ Gesellschaften teilgenommen
und von den dort stattgefundenen Disputationen vielfältige Anregungen erhalten. Ein
weiteres Betätigungsfeld außerhalb seiner wissenschaftlichen Studien wurde ihm die Mu-
sik. Wopfner erhielt durch den Direktor des Innsbrucker Musikvereins Josef Pembauer
Unterricht im Klavier- und Orgelspiel. Bach und Wagner waren die „leuchtenden Sterne“
seines „Musikhimmels“. In seiner Unterrichtszeit an der Universität Innsbruck begleitete
Wopfner am Klavier den Kunsthistoriker Heinrich Hammer, der Geige spielte11.
Zurück aus Leipzig machte sich Wopfner an die Vollendung seiner Dissertation „Der
Bauernkrieg in Deutschtirol 1525“ und promovierte am 12. Mai 1900 zum Doktor der
Philosophie. Die handschriftlich verfasste Dissertation war von Emil (von) Ottenthal und
Ferdinand Kaltenbrunner begutachtet worden. Ottenthal klagte in seinem Urtheil nicht nur
über die großteils unleserliche Handschrift und, dass [d]ie Arbeit […] äusserlich einen ungüns-
tigen Eindruck [mache,] die Anmerkungen […] unordentlich da und dort beigefügt [seien] ; [es]
Fehler in der Rechtschreibung [gebe], sondern auch über inhaltliche Mängel. Gelobt wurde
die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse, welche der Bauernrebell hervorrief und
die Besprechung der Ergebnisse derselben. Die Arbeit wurde mit genügend beurteilt12. Im Laufe
seiner Dissertation hatte Wopfner ein Thema kennengelernt, das ihn Zeit seines Lebens wis-
senschaftlich beschäftigen sollte : die Bedeutung der „Freiheit für ein Volk“13.
Unmittelbar nach der Promotion trat Wopfner im Juni 1900 in den Dienst des Inns-
brucker Statthaltereiarchivs ein. Der damalige Leiter, Prof. Michael Mayr, gestattete
10 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 171–172.
11 Heinrich Hammer, Selbstdarstellung, in : Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart (wie Anm.
3) 1–16.
12 UAI, Akten der Phil. Fak., Reihe Dissertationsgutachten 1873–1965, Dissertationsgutachten H. Wopfner. Dort
findet sich als Dissertationstitel „Der Bauernkrieg in Deutschland“. Vgl. ebd. Urtheil über die Dissertation des
K. H. Wopfner, 16.10.1889. Wir verdanken diesen Hinweis Peter Goller, Archivar des UAI. Der Teil seiner
Dissertation, der sich mit der Geschichte des Innsbrucker Landtages von 1525 befasste, erschien gedruckt in :
ZS des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg III. F., 44. Heft (1900) 85–153.
13 Vgl. dazu auch die Analyse von Laurence Cole, Fern von Europa ? Zu den Eigentümlichkeiten Tiroler Ge-
schichtsschreibung, in : Geschichte und Region/Storia e regione 5 (1996) 191–225, hier 198–201. Die Origi-
nalfassung dieses Aufsatzes ist in englischer Sprache erschienen : Lawrence [sic !] Cole, Fern von Europa ? The
peculiarities of Tirolian historiography, in : Zeitgeschichte 23 (1996), Heft 5/6 181–204. Zu Ottenthal siehe
Susanne Lichtmannegger, Emil von Ottenthal (1855–1931). Diplomatiker in der Tradition Theodor von
Sickels und Julius von Fickers, in : Österreichische Historiker 1900–1945 [1] (wie Anm. 8) 73–95.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625