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Hermann Wopfner (1876–1963) 115
Bergbauernbuches fand der als sparsam bekannte Wopfner
freilich erschreckend, wie ja überhaupt für unsereinen das Bü-
cherkaufen zum Problem wird 78.
Erst 1956, mehr als zwölf Jahre nach Wopfners ers-
ter Anfrage, gibt es den ersten Beleg für die Zusage von
Grass zur Fortführung des Bergbauernbuches nach Wopf-
ners Tod79. Er bat Grass zwar um Übernahme der Arbeit,
wohlwissend um die Unwägbarkeiten des Lebens und des
Wissenschaftsbetriebs rang er ihm aber kein förmliches Ver-
sprechen ab. Für den Fall, dass Grass die Herausgabe nicht
bewerkstelligen konnte, sollte er zumindest einen anderen
geeigneten Mann, vielleicht Prof. Huter oder Prof. Ilg um die
Fortführung ersuchen80. Obwohl sich das Erscheinen des Bergbauernbuches nach Wopf-
ners Tod um mehr als drei Jahrzehnte verzögerte, nahm Grass die vom Autor vorgeschlage-
nen Herausgeberalternativen nicht in Anspruch. Wie aus seinem Nachlass hervorgeht, hatte
Grass die Innsbrucker Historiker und Volkskundler, insbesondere den gleichaltrigen und
ebenfalls bei Wopfner habilitierten Konkurrenten Ilg81, nicht besonders geschätzt82. Aus
diesen sich nach 1945 verstärkenden Animositäten zwischen den beiden Wopfner-Schülern
entwickelte sich bei Grass eine tiefe Enttäuschung gegenüber Wopfner, dem er später un-
terstellte, stets Ilg bevorzugt zu haben. So ist es nicht verwunderlich, dass Grass die Her-
ausgabe des Bergbauernbuches als „undankbare Aufgabe“83 empfand und über Jahrzehnte
vor sich her schob. Von der Kränkung durch Wopfner geprägt, schrieb er 1969 an seinen
Kollegen Karl Siegfried Bader in Zürich : „Mit welcher Begeisterung ich mich in seine Hie-
roglyphen versenke, können Sie sich vorstellen“84.
Die Genese des Bergbauernbuches reicht indes nicht nur bis zur Manuskripterstellung
in der NS-Zeit, sondern bis vor den Ersten Weltkrieg zurück. Bereits 1913 berichtete ihm
ein gewisser Kronbichler aus Gramais über die Geschichte des Ortes und sandte Wopfner
78 Ebd.
79 Ebd. Wopfner an Grass, Brief vom 23.07.1956.
80 Ebd.
81 Die Geringschätzung Ilgs geht aus Grass’ Reaktion auf Ilgs Nachruf auf Wopfner in der HZ hervor. Grass
schrieb an die Schriftleitung der HZ, dass Ilg wohl nicht der geeignete Mann gewesen sei, um den Nekrolog
zu schreiben und verwies auf einige kleinere Unstimmigkeiten im Text. Grass dürfte es aber weniger um die
Richtigstellung des Nachrufs, als vielmehr um ein Schlechtmachen Ilgs bei der Schriftleitung der HZ gegan-
gen sein, siehe ebd. Grass an die Schriftleitung der HZ 27.07.1964.
82 Siehe dazu exemplarisch das Schreiben von Grass an Karl Siegfried Bader vom 07.01.1969, transkribiert in :
OBerkofler, Grass (wie Anm. 72) 100–102.
83 Grass an Guido Kisch 25.07.1975, gedruckt ebd. 468.
84 Grass an Bader 07.01.1969, gedruckt ebd. 100–101. Abb. 8 Hermann Wopfner
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625