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120 Wolfgang Meixner und Gerhard Siegl
und gewerblichen Tätigkeit dem „alten“ Ratsbürgertum an und bekleideten städtische Ämter
(Stadtrichter). In diese Welt hineingeboren, war Wopfner seine Herkunft durchaus bewusst
und er interpretierte deren Facettenreichtum (Bauernstand, Handel, Gewerbe, städtisches
Engagement) rückblickend als gute Basis für seinen akademischen Werdegang.
Wopfner, der zeitlebens als „streng katholisch“ angesehen wurde, fand seine Erfüllung
nicht nur im akademischen Betrieb, sondern zunehmend in politischer Tätigkeit. Die
Annexion Südtirols durch Italien empfand er als „Vergewaltigung“ und trat ihr entschie-
den mit „den Waffen der Wissenschaft“ entgegen104. Stand zunächst die Erhaltung der
Einheit Tirols im Mittelpunkt seines Bestrebens, so wurde dies ab den 1920er Jahren
von einem neuen „Sendungsbewusstsein“ abgelöst : der Vermehrung des Wissens über
die eigene Herkunft. Im programmatischen Vorwort zur ersten Nummer der von ihm
begründeten Zeitschrift „Tiroler Heimat“ drückte er dies in seiner unnachahmlichen Art
aus : „Zum geistigen Rüstzeug dieses Kampfes gehört der Nachweis der Einheit Tirols, der
Einheit seiner Geschichte, seiner natürlichen Beschaffenheit, seines Volkstums und seiner
eigenartigen Kultur ; diesem Nachweis sollen die Abhandlungen in vorliegendem Alma-
nach und in seinen Fortsetzungen dienen“105. Ein weiters Motiv in seiner öffentlichen
Wirkung war die Behauptung und Aufrechterhaltung der „Freiheit“, die er vor allem in
der Spezifik des Tiroler Bauerntums seit dem Mittelalter ausgeprägt sah und die er in der
Ersten Republik vor allem gegen den Wiener Zentralstaat zu verteidigen wusste. Lieber als
ein österreichischer Bundesstaat war ihm ein „selbstständiges Tirol“ oder eine Verbindung
mit Bayern, dem Tirol in seinen „wirtschaftlichen und kulturellen Interessen […] unter
allen deutschen Stämmen am nächsten“ sei106. Noch 1926 propagierte er die Eigenstän-
digkeit Tirols öffentlich : „Tirol wird einsehen, daß es seine wertvolle Eigenart und seine
Freiheit nur dann wahren kann, wenn es als selbständiges Land ins Reich heimkehrt“107.
In dieser Frage ging er sogar argumentativ gegen seinen Neffen Karl Schuschnigg vor,
für den ein separater Anschluss einzelner österreichischer Bundesländer an das Deutsche
Reich nicht in Frage kam108. „Wopfner dachte zuallererst als Tiroler, dann als Deutscher
104 Wopfner, Einheit (wie Anm. 43) 4. Diesen Teil der Denkschrift dürfte Wopfner selbst verfasst haben.
105 Vgl. Vorwort, in : Tiroler Heimat, 1. Heft (1921) 3. Das Vorwort ist namentlich nicht gezeichnet, aber sicher
nicht so ohne Billigung Wopfners, der Herausgeber der Zeitschrift war, erschienen. Vgl. Hermann Wopfner,
in : Herbert Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und der Anschluss 1918–1930 (Veröff. des His-
torischen Instituts der Universität Salzburg, Wien/Salzburg 1974) 223–235, hier 227.
106 Hermann Wopfner, Tirol am Scheideweg. 2. Teil, in : Neue Tiroler Stimmen vom 19.11.1918 1. Der 1. Teil
war am 15.11.1918 erschienen.
107 Vgl. Hermann Wopfner, Österreich und Deutschland, in : Innsbrucker Nachrichten, Nr. 46, 25.2.1926 8.
108 Schuschnigg hatte diese Äußerung 1929 in einer Rede auf dem Parteitag der Bayerischen Volkspartei getätigt,
worauf Wopfner heftig replizierte. Vgl. Hermann Wopfner, Bemerkungen zum Problem der Wiederver-
einigung Österreichs mit Deutschland, 1. bis 3. Teil, in : Bayerischer Kurier vom 15.12.1929, 1 sowie vom
19.12.1929, 2–3.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625