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122 Wolfgang Meixner und Gerhard Siegl
auch Leidlmairs Lehrer Hans Kinzl, der an der Innsbrucker Geographie die auf die Aus-
wertung von Kirchenbüchern basierende Bevölkerungsgeographie etabliert hatte, sowie
dessen Nachfolger Franz Fliri117.
Wopfner, der auch „Kind seiner Zeit gewesen war“, überlebte sich selbst118. So wie
das Bauerntum zunehmend an Prägung für die geistige und politische Landschaft Tirols
verlor, so verblasste seine wissenschaftliche Leistung auf dem Gebiet der Volkskunde nach
seinem Tod zusehends. Dieser Arbeitsschwerpunkt Wopfners war nach dem Ende des Na-
tionalsozialismus nachhaltig diskreditiert. Seine frühen agrar- und rechtsgeschichtlichen
Werke hatten hingegen eine längere Halbwertszeit und müssen – abhängig von Themen-
und Fragestellung – zum Teil noch immer berücksichtigt werden.
Dass Wopfner im Jahr 1953 von Mitgliedern der philosophisch-historischen Klasse
der ÖAW aufgrund seiner geschichtswissenschaftlichen und volkskundlichen Arbeiten als
„einer der grössten Historiker Österreichs“ bezeichnet wurde, mag schon damals überzo-
gen gewesen sein, denn in den Jahren nach 1918 war er mehr Volkskundler als Historiker
und er wurde auch nie wirkliches Akademiemitglied. „Der führende Gelehrte seines Fa-
ches innerhalb des deutschen Sprachgebietes“119, wie dasselbe Ansuchen zur Aufnahme
Wopfners als Ehrenmitglied120 fortfuhr, dürfte er zu diesem Zeitpunkt wohl kaum noch
gewesen sein. Nichtsdestoweniger wurde Wopfner Ehrenmitglied und der abschließen-
den Bemerkung des Wahlvorschlags, dass Wopfner „ohne Politiker zu sein, […] mit der
Gesamtbevölkerung seines Landes […] wissenschaftlich und menschlich-persönlich ver-
bunden ist [und er] sowohl als Forscher, Lehrer, Mensch und Charakter zu den markan-
testen Persönlichkeiten Österreichs gezählt werden“121 dürfe, kann ohne Einschränkung
zugestimmt werden.
Ders., Südtirol im Wandel der achtziger Jahre, in : Österreich in Geschichte und Literatur mit Geographie
31, Heft 3/4 (1987) 205–219.
117 Vgl. Franz Fliri, Hans Kinzl – Leben und Werk, in : Zs. für Gletscherkunde und Glazialgeographie 15, Heft
1 (1979) 2–5, sowie Adolf Leidlmair, Hans Kinzl. Im Lichte seines Briefwechsels, Lebenslaufes und per-
sönlicher Erinnerungen, in : Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft 17 (2003–2007) 142–176. Zur
Bevölkerungsgeographie vgl. Franz Fliri, Hans Kinzl und die Innsbrucker Schule der Bevölkerungsgeogra-
phie, in : Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 138 (1996) 147–181 ; zu Fliri vgl.
Elisabeth LichtenBerger, Franz Fliri, in : Almanach der ÖAW 160 (2010) 503–511.
118 Ilg, Geschichte (wie Anm. 110) 204.
119 Siehe wie Anm. 50, Protokoll der außerordentlichen Gesamtsitzung vom 19.05.1953 (A 1058) sowie Wahl-
vorschlag vom 10.03.1934, 08.04.1953.
120 Wopfner war erst beim dritten Wahlvorschlag im Jahr 1934 zum korrespondierenden Mitglied der philoso-
phisch-historischen Klasse der ÖAW gewählt worden, siehe oben Anm. 50.
121 Ebd.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625