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Hugo Hassinger (1877–1952) 133
verfolgte nach Hassinger „ein wissenschaftliches und ein praktisches, und zwar unterricht-
liches und verwaltungstechnisches Ziel“44. Dass zu diesen beiden Zielsetzungen allerdings
noch hochbrisante politische Ziele hinzukamen bzw. diesen immanent waren, soll im
Kap. III näher ausgeführt werden.
Hassingers Abhandlung über die „Geographie des Menschen“, die er 1937 in Klute’s
Handbuch der geographischen Wissenschaft publizierte, stellte sein Hauptwerk auf dem
Gebiet der Anthropogeographie dar. Sie umfasst über 375 Seiten und versucht, das Ge-
samtgebiet der Anthropogeographie mittels einheitlicher Methoden zu analysieren und
eine geschichtliche Entwicklung des Fachgebietes seit dem 18. Jahrhundert wiederzu-
geben. Dabei stehen die vom Menschen beeinflusste Kulturlandschaft und ihre wech-
selseitigen Beziehungen im Mittelpunkt. Hassinger unterscheidet zwischen einer analy-
tischen und einer synthetischen Anthropologie, wobei erstgenannte sich vor allem mit
den Elementen der menschenbelebten Erde und die Dynamik der Elemente (Einfluss der
Natur auf Menschen und umgekehrt) auseinandersetzt. Die synthetische Anthropologie
soll vor allem die Völker, Staaten und Religionsgemeinschaften in ihrer Beziehung zu den
Landschaften und die einzelnen Kulturlandschaftstypen der Erde betrachten45. Für seine
Abhandlung entwarf Hassinger auch einige Karten, die vor allem durch unterschiedlicher
Rasterdarstellungen die Naturlandschaftstypen der Erde (Tafel XIII), die Ballungsräume
der Menschheit (Tafel XIII), die Bevölkerungsschwankungen auf der Erde zwischen 1920
und 1930 (Tafel XXVI), den Anteil der Staaten am Welthandel im Jahr 1928 (Tafel XX-
VII), die Kulturräume der Erde (Tafel XXVIII) und das Verhältnis der wichtigsten Kul-
turmittelpunkte zu den Naturgebieten (Tafel XXVIII) wiedergeben. Eine der wenigen
Ausnahmen bildet die Karte der Wirtschaftsunsicherheit der Erde (S. 264), die neben
Flächen- auch Positionssignaturen zeigt. So bedeuten zum Beispiel schwarze Kugeln Vul-
kane und Kreise Epizentren katastrophaler Erdbeben.
Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten setzte sich Hassinger in geringem
Ausmaß auch mit der Stadtplanung auseinander. Ein Beispiel bildet seine am 28. April
1931 gehaltene und in der Zeitschrift für Geopolitik publizierte Antrittsvorlesung an der
Universität Wien über die landschaftsgestaltende Tätigkeit des Staates. Hassinger merkte
an, dass „man die Kulturlandschaft sich nicht mehr wild entwickeln“ lassen, sondern „sie
durch Landesplanung zielbewußt formen“ sollte46. Diese These belegte er mit unzähligen
Beispielen von Schutzbauten gegen diverse Naturkatastrophen über die Umgestaltung der
hydrographischen Verhältnisse bis hin zur Neugestaltung von Städten durch Fußgeherzo-
44 Ders., Burgenland (wie Anm. 43) 153.
45 Götzinger, Hassinger (wie Anm. 2) 165–166 ; Hugo Hassinger, Die Geographie des Menschen, in :
Klute’s Handbuch der geographischen Wissenschaft (Potsdam 1937) 267–542.
46 Ders., Der Staat als Landschaftsgestalter, in : Zs. für Geopolitik IX (1932) 117-122, 182–187, hier 187.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625