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160 Marija Wakounig
tung ist nicht abwegig, denn dem Jugendlichen wurde eine sehr gute und kostenintensive
Schulausbildung in Klagenfurt zuteil12, die anschließend 1895–1899 das Studium der
Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte an der Wiener Universität ermöglichte13.
Uebersberger, der zeit seines Lebens geschickt verschleiert hat, dass er in Kärnten von Kin-
desbeinen an zweisprachig aufgewachsen war und so die slowenische Sprache beherrschte,
hat nachweislich 1899 ein einziges Mal zugegeben, dass ihm das Slovenische große Dienste
beim Kirchenslawischen geleistet habe14, hat es aber später nicht für Wert befunden, seine
slowenische Muttersprache als Hilfe zur leichten Erlernung weiterer slawischer Sprachen
wie Russisch, Polnisch, Serbisch, Kroatisch, Bosnisch oder Bulgarisch anzuführen15. Im
Gegenteil, er verbannte seine als Makel empfundene slowenische Herkunft bewusst aus
dem Lebenslauf und kompensierte diese mit einer zunehmend deutschnationalen Gesin-
nung16. Trotzdem dürften die persönlichen Lebensumstände seinem universitären Umfeld
nicht unbekannt gewesen sein, wie die Ereignisse ab 1899 zeigen. In diesem Jahr wandte
sich der demissionierte Botschafter in Russland, Franz de Paula Prinz von und zu Liech-
tenstein via Unterrichtsministerium an den Direktor des IÖG, Engelbert Mühlbacher,
um einen ausgewiesenen Fachmann für Archivalien und Editionen, wenn möglich mit
russischen Sprachkenntnissen, zu finden, damit dieser in Russland quellenorientierte dip-
lomatische Forschungen seit den Anfängen der russisch-österreichischen Beziehungen be-
treiben möge. Denn die vierjährige Tätigkeit in Russland 1894–1898 führte Liechtenstein
die historische Unbedarftheit nicht nur der österreichischen Diplomaten und Militärs vor
Augen. Außerdem reifte in ihm nach mehreren Gesprächen mit dem befreundeten rus-
sischen Außenminister, Aleksandr Graf Lobanov–Rostovskij, und dem Sekretär der Rus-
sischen Historischen Gesellschaft, Georgij Fedorovič Štendman, der Plan, ähnlich wie in
Russland systematisch Akten des diplomatischen Dienstes aufzubereiten, d. h. zu edieren
und zu analysieren und sie einem Publikum wie etwa Außenministerium, Heeresverwal-
tung und sonstigen staatlichen Behörden zuzuführen. Dies beabsichtigte Liechtenstein in
der Residenzstadt der Monarchie zu initiieren und zu unterstützen17.
12 Zur Herkunft vgl. Leitsch, Stoy, Seminar (wie Anm. 2) 122 Anm. 2, 127, sowie Suppan, Wakounig,
Uebersberger (wie Anm. 3) 93 Anm. 2.
13 U.a. Manfred Stoy, Hans Uebersbergers Kritik an der Deutschen Ostpolitik, Berlin 1943, in : MIÖG 97
(1989) 105–124, hier 106 ; Ders., Aus dem Briefwechsel von Wilhelm Bauer 2 : Hans Uebersberger, in :
MIÖG 109 (2001) 426–433, hier 426f.
14 Uebersberger an Mühlbacher, Moskau 08.09.1899, zitiert bei Leitsch, Stoy, Seminar (wie Anm. 2) 122
Anm. 11.
15 Vgl. die doch mokant-ungerechte Bemerkung über die Sprachkenntnisse von Uebersberger ebd. 132.
16 Siehe dazu ebd. 265f. Beilage 6, Uebersberger an Liechtenstein, Wien 24.04.1934, Hausarchiv der Regieren-
den Fürsten von Liechenstein in Vaduz [= HFL], Korrespondenz Franz I. de Paula–Uebersberger.
17 Vgl. dazu Marija Wakounig, Ein Grandseigneur der Diplomatie. Die Mission von Franz de Paula Prinz von
und zu Liechtenstein in St. Petersburg 1894–1898 (Europa Orientalis 1, Wien/Berlin 2007) u. a. 245, 327.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625