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Adolf Helbok (1883–1968) 203
erschien und schließlich im August 1934 – offenkundig als Folge von Helboks damals
aus politischen Gründen erfolgter Entlassung – das Zeitliche segnete108. In all den Jahren
ihrer Existenz hatte es die „Heimat“ mit einer Konkurrenz zu tun : Der Schriftleiter des
„Vorarlberger Tagblattes“ Hans Nägele gab „ab ca. 1919/20 die heimatkundlich orientierte
Wochenbeilage Feierabend“ heraus und publizierte „zu gegebenen Anlässen auch Sonder-
nummern“. „Mit diesen Ausgaben erreichte Nägele eine sehr breite Bevölkerungsschicht,
Helbok hingegen, der mit der wissenschaftlich ausgerichteten Heimat das gleiche Ziel
verfolgte, konnte mit einer solchen Publikumsresonanz nicht rechnen.“109 Obwohl Hans
Nägele ein Mitstreiter Helboks bei der Verbreitung des großdeutschen Gedankens in Vor-
arlberg gewesen ist und in den „Erinnerungen“ seiner freundlich gedacht wird110, scheint
das Verhältnis zwischen den beiden aus dem genannten Grund zumindest zeitweise sehr
schlecht gewesen zu sein111.
108 D.h., wohl „aufgrund der offensichtlichen Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut“ ; Meixner, „…
eine wahrhaft nationale Wissenschaft der Deutschen…“ (Bibl.) 127 ; UA Leipzig, PA 561, fol. 92 : wurde sie
im Jahre 1934 als staatsgefährlich behandelt, da ich [sc. Helbok] in einem Artikel 1933 den Führer als grössten
Oesterreicher hingestellt hatte und früher gegen die These vom österreichischen Menschen in Artikeln auftrat – Ilg,
Geschichte der tirolischen Volkskunde (wie Anm. 26) 209 schreibt „aus politischen Gründen eingestellt“ und
würdigt die Zeitschrift folgendermaßen : „Sicherlich hat sie der Vorarlberger Heimat- und Volkskunde durch
ihre guten Beiträge zu verschiedensten Themen, viele aus der Feder Helboks, namentlich zur Siedlungs- und
Hauskunde, einen nachhaltigen Dienst geleistet, auch wenn ihr später eine großdeutsche Auffassung vorge-
halten wurde“ ; vgl. auch HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 38 und die unten in Anm. 480 zitierte „Würdigung“
durch Richard Beitl. Jedenfalls konnte Helbok vor ihrer Einstellung für die Zeiten seiner Abwesenheit in
Berlin in Dr. Anton Schneider, Innsbruck, einen Vertreter finden, der die Geschäfte der Schriftleitung über-
nahm ; vgl. unten Anm. 239. Helbok selbst meinte, dass ihm die Zeitschrift „die erbitterte Feindschaft der
Klerikalen ein[trug]“ ; UA Leipzig, PA 561, fol. 83. Sperlings Zeitschriften- u. Zeitungsadreßbuch. Hand-
buch der deutschen Presse 53 (1927) 46 gibt eine Auflage von 2000 Stück an, acht Jahre später schrumpfte
sie auf 1200 zusammen ; l.c. 59 (1935) 44.
109 Ulrike Lang in : GulBransson, Tagebücher 5 (Bibl.) 94f. Anm. 172 ; vgl. auch ebd. 148 Anm. 340 und
Mir will nämlich scheinen, als ob diese flotten Sondernummern des Feierabends, die er macht, eine böse Concur-
renz für die Heimat darstellten ebd. 147f. Vgl. auch Barnay, Erfindung (Bibl.) 394 : „In der ‚Heimat‘, die
– im Gegensatz zum populären ‚Feierabend‘ – für gebildete Kreise gedacht war […].“
110 „Wieviel wertvolle Hilfe hat uns damals im Kampfe um geistige Weite der geistvolle Feuerkopf Dr. Hans Nä-
gele geleistet als herzwarmer Sekundant in seinem ‚Vorarlberger Tagblatt‘ !“ ; HelBok, Erinnerungen (Bibl.)
38.
111 Grete Gulbransson, die selbst sowohl in der „Heimat“ wie im „Feierabend“ veröffentlichte, erfuhr im Februar
1929 von einem Streit um die Heimat, durch den es dem Streitgockel Helbok wohl gelingen werde, Nägele die
Heimat [offenbar als journalistisch-editorische Wirkungsstätte] zu nehmen – denn Helbok sei doch ein rechter
Gewaltmensch : GulBransson, Tagebücher 5 (Bibl.) 94 und ebd. 102. „Immer wieder kam G.G. auf die
großen Rivalitäten u. Meinungsverschiedenheiten zwischen Adolf Helbok u. Hans Nägele zu sprechen“ :
Ulrike Lang ebd. 106 (betreffend April 1929). „Im Verlaufe der Zusammenkunft [im Juni 1929] äußerte
sich Helbok sehr negativ über Hans Nägele, den er wortwörtlich als verdrückten, falschen Hund bezeichnete“ :
Ulrike Lang ebd. 129. „Was macht der Helbok ?“ sag ich. Da fährt ein böses, kleines Lachen aus dem Nägele[,]
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625