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Adolf Helbok (1883–1968) 205
1963), der später im US-Exil gegen die „Hexenjagd“ des Senators McCarthy auf Linksin-
tellektuelle auftrat, beklagte 1930, als er noch völlig im Bann des Stefan-George-Kreises
stand, auf einem Historikertag in Halle a.d. Saale „das bruchartige Auseinanderfallen
von Nationalgefühl und Wahrheitsgefühl“ und die „objektive uninteressierte Vorausset-
zungslosigkeit“ des zeitgenössischen Historismus, die „die Wahrheit der Nation selbst“ ge-
fährde116. Wenn Helbok das mit März 1921 datierte „Vorwort“ mit dem Ausruf beschließt
„Kein Boden ist reicher als der deutsche und kein Volk tüchtiger als das deutsche.
Stehen beide in gesunder und kräftiger Wechselwirkung, dann ist gegen dies Achtzig-
Millionen-Volk die ganze Welt zu klein !“117, so äußert sich hier ein direkt schon pa-
thologisch zu nennendes übersteigertes völkisches Bewusstsein. Helbok zeigt hier weiters
ein Eintreten für den Heimatschutzgedanken, insbesondere eine Wertschätzung für das
bäuerliche Leben und eine Abneigung gegenüber der modernen Großstadt118, wie sie
für „Völkische“119, aber auch genuine Konservative wie Wilhelm Röpke120 typisch waren
(und sind). Helbok fordert hier aber auch schon nicht nur allgemein eine Interaktivität
in : ZfG 49,1 (2001) 32–49. Kötzschke schrieb wenig später : „Deutsches Land und deutsches Volkstum,
deutsches Menschentum müssen noch tiefer, innerlicher, allseitiger in ihrem Wesen geschichtlich verstanden
werden ; mit erneuter Kraft möchten wir uns in die großen Zeiten der Herrlichkeit, wie in die Notzeiten der
Geschichte unseres Volkes einleben, den ganzen Rhythmus der geschichtlichen Bewegung in uns schwingen
lassen, um daraus starke seelische Werte unter dem Druck dessen, was täglich auf uns einstürmt, zu gewin-
nen“ (Zitat nach Ludwig, „Ein sonniges Neuland“ (Bibl.) 53f.). Vgl. zu Kötzschke als Tendenzautor auch
Heitz, Rudolf Kötzschke (wie Anm. 13) 268–271 ; Pinwinkler, Historische Bevölkerungsforschungen
(Bibl.) passim ; Hans-Erich Volkmann, Historiker im Banne der Vergangenheit. Volksgeschichte und Kul-
turbodenforschung zwischen Versailles und Kaltem Krieg, in : ZfG 49,1 (2001) 5–12, hier 9f. sowie die
Zitate bei Czok, Zu Problemen (wie Anm. 12) 517f.
116 Vgl. Michael Rissmann, „Imperium transcendat hominem“. Ernst Kantorowicz, das „Geheime Deutsch-
land“ und der Nationalsozialismus, in : Deutsche Autoren des Ostens als Gegner und Opfer des Nationalso-
zialismus. Beiträge zur Widerstandsproblematik, hg. v. Frank-Lothar Kroll (Literarische Landschaften 3,
Berlin 2000) 451–475, hier 468 (mit Literatur).
117 HelBok, Siedelungsforschung. Ein Weg (wie Anm. 112) [3]. Vgl. auch ebd. 20 : „Die Deutschen wurden
das Kulturvolk Europas, das zwischen östlicher Unkultur und westlicher Mischkultur mit starkem Arm den
europäischen Staatsgedanken durchs ganze Mittelalter führend pflegte, an den großen Überlieferungen der
Mittelmeervölker unmittelbar anknüpfte, sie in die nordeuropäische Kultur einführte und damit jene Welt-
kultur schuf, die uns heute von unseren Feinden strittig gemacht wird.“
118 Vgl. etwa ebd. 15 : „Und das Endergebnis werden schließlich einige 100 Häuser in Wiens und anderer Städte
Umgebung sein, in denen dann Konsumenten ein kümmerliches Dasein fristen, die sonst gutlebende Bauern
sein könnten.“
119 Stefan Breuer, Grundpositionen der deutschen Rechten (1871–1945) (Historische Einführungen 2, Tübin-
gen 1999) 84.
120 Vgl. etwa Wilhelm Röpke, Torheiten der Zeit. Stellungnahmen zur Gegenwart (Nürnberg 1966) 37–49
(„Verwurzelung“), 50–65 („Heimat, Nation und Welt“), 124–156 („Die Stellung der Landwirtschaft in der
modernen Industriegesellschaft“).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625