Seite - 220 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 220 -
Text der Seite - 220 -
220 Martina Pesditschek
Helboks keineswegs nur typisch (proto)nazistische Sympathie für die Heimatschutz-
bewegung wurde schon erwähnt. 1930 erschien von ihm ein Beitrag im Sammelband
„Der deutsche Heimatschutz. Ein Rückblick und Ausblick. Herausgegeben von der Ge-
sellschaft der Freunde des deutschen Heimatschutzes“209, dessen „Ehrenausschuß“ un-
ter anderen auch „Oberbürgermeister Dr. h. c. Adenauer, Präsident des Pr. Staatsrats,
Köln“210 angehörte. Gleich in der ersten Fußnote zu seinem Aufsatz211 heißt es : „Dieser
Beitrag sucht nur die eine Seite natürlicher Beeinflussung von Mensch und Volk zu erfas-
sen und sieht von der anderen, die in Rasse, Veranlagung, Charakter liegt, völlig ab“212.
Der Begriff „Rasse“ spielt in der Tat auch in den anderen Publikationen Helboks der
1920er und der beginnenden 1930er Jahre noch gar keine oder nur eine untergeordnete
Rolle ; im Mittelpunkt dieser Arbeiten stehen neben der Siedlungsgeschichte nun auch
in zunehmendem Maße Volkskunde und hier speziell Hausforschung. Helbok steht in
ihnen typischerweise fest auf dem Boden von Naumanns Zweischichtentheorie in deren
ursprünglicher Ausprägung und betont die Bedeutung der Umwelt.
Im Jahr 1928 erschienen sogar gleich zwei schmale Monographien, die das Wort „Volks-
kunde“ im Titel trugen : Zum einen tat dies als zweites Heft der von Rudolf Kötzschke
„in Verbindung mit A. Helbok = Innsbruck und H. Aubin = Giessen“ herausgegebenen
„Schriften zur deutschen Siedelungsforschung“ und „Rudolf Kötzschke zu seinem 60.
Geburtstage dargebracht“ die erweiterte Druckfassung eines „auf der Tagung des Gesamt-
vereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine zu Speyer am 31. August 1927“
gehaltenen Vortrags mit dem Titel „Siedelungsgeschichte und Volkskunde“213. In diesem
209 Adolf HelBok, Mensch und Volk, in : Der deutsche Heimatschutz. Ein Rückblick und Ausblick. Herausge-
geben von der Gesellschaft der Freunde des deutschen Heimatschutzes (München 1930) 17–34.
210 Ebd. 6.
211 In dem 28 u. a. Berlin als Folge seiner dortigen Aufenthalte als „amerikanischste Stadt Europas“ bezeichnet
wird. Helbok schließt 34 mit einem äußerst dunklen Satz : „Der höchste Mensch in struktureller Beziehung
ist der große Staatsmann ; können höchste Menschen in geistiger oder künstlerischer Richtung auch aus
einem Wirrsal der Struktur emporsteigen, wie uns Goethe gezeigt hat, Staatsmänner können es nur, wenn sie
gesteigerte Strukturklarheit ihres Volkes sind.“
212 Ebd. 17 Anm. 1.
213 Schriften zur deutschen Siedelungsforschung 2, Dresden 1928 ; als der Germanist Edward Schröder dieses
Werk in einer beckmesserischen Kurzbesprechung in die Nähe von „verantwortungslosem dillettantismus
[sic]“ rückte (in : Anzeiger für Deutsches Altertum 47 [1928] 191), griff der streitbare Helbok den Feh-
dehandschuh erwartungsgemäß auf und veröffentlichte zunächst eine Entgegnung im nächsten Band des
Anzeigers (Anzeiger für Deutsches Altertum 48 [1929] 71–72), der ebd. 72–73 eine Replik Schröders auf
dem Fuße folgte. In der Folge hat Helbok diesen Gelehrtenstreit dann auch noch in seinem eigenen Organ
zur Sprache gebracht, vgl. Adolf HelBok, In eigener Sache, in : Heimat. Vorarlberger Monatshefte 10,3–4
(April 1929) 128–130. Hier erfahren wir gleich zu Beginn, dass ein manifester Feind Helboks Abschriften
der abfälligen Rezension von Innsbruck aus anonym „an zahlreiche Persönlichkeiten im Lande“ versandt
hat. „Der Zweck dieser Aussendung war, mich in den Augen der Empfänger herabzusetzen, indem ihnen
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625