Seite - 230 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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230 Martina Pesditschek
Berlin, sondern auch im heimatlichen Innsbruck grassierenden Massenpsychose nicht
entziehen. Innsbruck-Stadt hatte sich im Übrigen bis Ende 1932 „zum stärksten der
111 NSDAP-Bezirke in Österreich“266 entwickelt. Elf Tage nach seinem Parteieintritt,
am 23. April 1933, wurde die NSDAP bei den Gemeinderatswahlen in Innsbruck mit
41% der abgegebenen Stimmen stärkste Partei267. Vielleicht war bei diesem Schritt aber
doch auch Opportunismus mit im Spiel268 : Keiner seiner Kollegen und Freunde von der
Siedlungs- und Landesgeschichte bzw. vom Atlas (Aubin, Kötzschke, Frings, Hübner,
Meier) trat so wie er in die NSDAP ein, Helbok war aber 1933 auch wiederum der ein-
zige Nicht-Ordinarius in diesem Kreis, und er hatte 1932 in Berlin dank Eugen Fischer
eine Reihe von Verbindungen knüpfen können, sodass er sich wohl Hoffnungen auf
einen baldigen Ruf auf ein Ordinariat in NS-Deutschland machen durfte.
Nach erfolgtem Verbot der Partei in Österreich erklärte er den Behörden offenbar sei-
nen Austritt, sodass er nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht als „Illegaler“
eingestuft wurde269 ; diese Behauptung ließ sich damals von den Behörden des Dollfuß-
rung, verbunden mit dem einer gesunden Rangordnung und dem der Volksgemeinschaft, […] die Betonung des
Bäuerlichen und der Kampf gegen den Geist der Großstädte, der Rassegedanke und der Wille zu einer neuen,
deutsch bestimmten Rechtsordnung erschien uns gesund und zukunftsträchtig ; oder der Getreidehandelskauf-
mann und Mäzen Alfred Toepfer, der 1933 eher dem „nationalbolschewistischen“ sog. „Widerstandskreis“
um Ernst Niekisch und Andreas Paul Weber als den Nazis nahestand, vgl. etwa Jan Zimmermann, Alfred
Toepfer (Hamburg 2008) 46–49, sich aber dann weitestgehend in den Dienst der Nationalsozialisten stellte,
vgl. Lionel Boissou, Stiftung FVS Hamburg und Johann Wolfgang Goethe-Stiftung Vaduz, in : Handbuch
der völkischen Wissenschaften II (wie Anm. 56) 2007–2022 ; Hans Mommsen, Winfried Marx, Alfred
Toepfer in der deutschen Politik von 1913 bis 1945, in : Alfred Toepfer. Stifter und Kaufmann. Bausteine
einer Biographie – Kritische Bestandsaufnahme, hg. v. Georg Kreis, Gerd Krumeich, Henri Ménudier,
Hans Mommsen, Arnold Sywottek (Hamburg 2000) 29–84, hier 63 : „Insoweit hielt er an der Unterstüt-
zung des NS-Regimes bis zuletzt fest“ ; Jan Zimmermann, Alfred Toepfers „Westschau“, in : Griff nach dem
Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum
(1919–1960) 1–2, hg. v. Burckhard Dietz, Helmut GaBel, Ulrich Tiedau (Studien zur Geschichte und
Kultur Nordwesteuropas 6, Münster/New York/München/Berlin 2003) 1061–1090, hier 1062–1067.
266 Thomas AlBrich, Die „alten Kämpfer“. Zum Aufbau, Alters- und Sozialprofil der NSDAP in Tirol und
Vorarlberg vor 1933, in : Geschichte und Region. Die NSDAP in den 30er Jahren im Regionalvergleich, For-
schungsberichte – Fachgespräche, Dokumentation zur Internationalen Tagung über die NSDAP in den 30er
Jahren im Regionalvergleich, Dornbirner Geschichtstage, 14. bis 16. Oktober 1993, hg. v. Thomas AlBrich,
Werner Matt (Dornbirn 1995) 63–80, hier 70.
267 Ebd. 74.
268 Vgl. Kramer, Otto Stolz (wie Anm. 1) 146 : Helbok sei „weltanschaulich und politisch“ „vorwärts stürmend,
teils aus Ideal, teils, um Ziele zu erreichen“.
269 Vgl. Goller, OBerkofler, Universität Innsbruck (Bibl.) 79 ; auch UAI, PA AH, Zur politischen Haltung
von Prof. Helbok, undatiert, jedoch ganz offensichtlich nach seiner Pensionierung : Hier wird gleichfalls
behauptet, dass Helbok nach Verbot der Parteimitgliedschaft in Österreich seinen Austritt angemeldet habe
und – nach Angaben von Helbok selbst – erst in Leipzig 1938 wieder beigetreten sei ; vgl. auch UAI, PA AH,
Richtigstellung der Behauptung von Dr. Klotz in seinem Artikel „Humbug als Wissenschaft“ (Tiroler Tages-
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625