Seite - 251 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 251 -
Text der Seite - 251 -
Adolf Helbok (1883–1968) 251
Vorwort in den Jahren 1930–1932 „niedergeschrieben“ und dessen 6. Kapitel „seinen
Abschluß im Frühjahr 1933“, als Helbok offenbar schon unter dem Einfluss von Fischer
stand, erhalten hatte383. Die ersten Lieferungen hat sogar Marc Bloch zwar in einem
etwas ironischen Tonfall, aber doch auch mit Respekt insbesondere für die kartographi-
sche Leistung besprochen384. Die Urteile nach 1945 fielen dann viel weniger freundlich
aus385 ; allerdings hatte Bloch auch noch nicht den Schlusssatz der letzten Lieferung ken-
nen können. Da liest man nämlich nach einer rhetorischen Frage „Ist da der heute wie-
dererwachte Sinn für heldische Tat, für Ehre, für Gemeinsinn und Reinhaltung des guten
Bluterbes ein Zufall, ein Schall leerer Worte ?“ im Sperrdruck : „Was vor Jahrtausenden
sich erfüllt hat, soll und wird wieder wahr werden : Am deutschen Wesen wird die Welt
genesen !“386
Vor allem aber wirkte der mittlerweile schon 53 Jahre alte Helbok nun zum ersten Mal
als (freilich nur persönlicher) Ordinarius (für deutsche Landes- und Volksgeschichte),
und das an einem Ort, den er bereits 1921 als Wissenschaftszentrale (damals noch bloß
für „Siedelungs- und Landeskunde“) ausersehen hatte und dessen bibliothekarische Aus-
stattung ihn nun geradezu begeisterte387. Gleichwohl wäre für Helbok ein völliger Neu-
383 Ebd. 1, III.
384 M[arc] B[loch], Histoire d’Allemagne. Moyen Age, in : Revue historique 181 (1937) 405–411, hier 405–
407 ; vgl. dazu auch Peter Schöttler, Mark Bloch as a critic of historiographical nationalism in the interwar
years, in : Writing National Histories. Western Europe since 1800, [hg. v.] Stefan Berger, Mark Donovan,
Kevin Passmore (London/New York 1999) 125–136, hier 129. Zur Rezeption von Helbok durch Marc
Bloch vgl. zuletzt grundlegend Peter Schöttler, Die „Annales“-Historiker und die deutsche Geschichtswis-
senschaft (Tübingen 2015) passim.
385 Vgl. Kaudelka, Rezeption (Bibl.) 221–225, 228 : „nach dem Zweiten Weltkrieg“ nicht mehr „rezipiert“ ;
OBerkrome, Volksgeschichte (Bibl.) 206–208 : „deutscher Ethnozentrismus“, „nach 1945 kaum mehr rezi-
piert“. Lapidar urteilt Alois Gerlich, Geschichtliche Landeskunde des Mittelalters. Genese und Probleme
(Darmstadt 1986) 146 : „Helbok […] verfällt allerdings häufig einem völkischen Mystizismus, mit dem alles
und nichts zu beweisen ist“. Am vernichtendsten Pirker, Citadelle (wie Anm. 69) 67f.: „es kostete viel Pa-
pier und kann mit Erfolg nur eingestampft werden. […] So geht der Quatsch weiter […]“.
386 HelBok, Grundlagen der Volksgeschichte Deutschlands und Frankreichs 1 (wie Anm. 127) 691. Diese
Einstellung war keineswegs typisch nationalsozialistisch, vgl. den „Schwur“ der Brüder Stauffenberg vom
04.07.1944, in dem es heißt, dass unser Volk […] durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge
im germanischen Wesen das abendländische Menschentum schuf und dem Deutschen deshalb Kräfte eignen, die
ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen ; Karlauf, „kommt wort
vor tat kommt tat vor wort ?“ (wie Anm. 265) 97. Sie impliziert auch keineswegs eine kriegerische Eroberung
des übrigen Europa oder der ganzen Welt. Die Stauffenbergs und gewiss auch Helbok haben vielmehr eine
friedliche Vereinigung Europas (mit nachfolgender europäischer Weltherrschaft) erhofft, wobei den Deutschen
als den weitaus tüchtigsten Europäern die Führung Europas (und der Welt) schließlich ganz von selbst zufallen
würde. Offenbar aus eben diesem Motiv heraus hat Alfred Toepfer nicht nur vor, sondern auch nach 1945 die
Idee einer europäischen Vereinigung unterstützt, vgl. Zimmermann, Alfred Toepfer (wie Anm. 265) 187.
387 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 121 : „Ich habe während meiner Leipziger Zeit und unserer ausgebreiteten
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625