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256 Martina Pesditschek
Eine weitere öffentliche akademische Rede hatte Helbok in Leipzig am 30. Januar
1936 zu halten ; in dieser gebrauchte er, denkt man an seinen so erfolgreichen Vortrag
in Frankfurt im Jahre 1924 mit wortwörtlichen Spranger-Zitaten, vermutlich eher be-
wusst einige griffige Formulierungen aus Johannes Hallers weitverbreitetem Buch „Die
Epochen der deutschen Geschichte“411, wobei ein entsprechender Hinweis den Redefluss
natürlich nur unnötig gehemmt hätte. Diese zweite Universitätsrede hatte ein für Helbok
sehr unangenehmes Nachspiel, denn er wurde im März 1936 diesbezüglich des Plagiats
bezichtigt412. Bei der Dozentenschaft [sei] eine Mitteilung eingelaufen […], Professor Hel-
bok habe in seiner Universitätsrede am 30. Januar ds. Js. das Buch von Johannes Haller413
über : „Die Epochen der deutschen Geschichte“ benützt, ohne es zu zitieren, mehrere Stellen
aus dem Buch seien fast wörtlich übernommen worden usw.414 Helbok selbst behauptet am
20. März, nur den Historiker Haller, der reinste politische Geschichte ist, sonst keinen zu
kennen415. Am 25. findet dann ein Gespräch bei Prorektor (Richard) Arthur Golf416 in
zieht auch die staatliche Geschichte des Volkes ins Blickfeld“ ; vgl. auch Ders., Wo steht die Volkskunde und
wo sollte sie stehen ?, in : Archiv für Bevölkerungswissenschaft (Volkskunde) und Bevölkerungspolitik 6 (1936)
207–212, hier 210 Anm. 1 : „Mehrfach legte man mir nahe, den Ausdruck Volkstumsgeschichte zu gebrauchen,
weil unter Volksgeschichte eben doch Geschichte des deutschen Volkes verstanden werde, womit politische
Geschichte gemeint wird“, und Ders., Deutsche Geschichte auf rassischer Grundlage (wie Anm. 36) 38f.:
„Volksgeschichte ist Volkstumsgeschichte plus politische Geschichte des Volkes.“
411 Erstmals erschienen Stuttgart/Berlin 1923.
412 Vgl. Ludwig, „Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde“ (Bibl.) 160.
413 Fritz Ernst, Johannes Haller. 16. Oktober 1865 bis 24. Dezember 1947. Gedenkrede anläßlich einer Feier
im Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Mit einem Verzeichnis der Schriften Johannes Hallers
(Stuttgart 1949) ; Bernd FaulenBach, Johannes Haller, in : Historikerlexikon. Von der Antike bis zur Ge-
genwart, hg. v. Rüdiger vom Bruch, Rainer A. Müller (22002 München) 124f.; Johannes Haller, Le-
benserinnerungen : Gesehenes, Gehörtes, Gedachtes (Stuttgart 1960) ; Steffen Kaudelka, Rezeption (Bibl.)
51–78 ; Ders., Johannes Haller – Frankreich und französische Geschichte aus der Sicht eines Deutschbalten,
in : Das Deutsche Historische Institut Paris (wie Anm. 14) 178–197 ; Heribert Müller, Der bewunderte
Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Spätmittelalter, in : HZ 252,2 (1991) 265–317 ;
Ders., „Eine gewisse angewiderte Bewunderung“. Johannes Haller und der Nationalsozialismus, in : Gestal-
tungskraft des Politischen. FS für Eberhard Kolb, hg. v. Wolfram Pyta, Ludwig Richter (Historische For-
schungen 63, Berlin 1998) 443–482 ; Reinhard Wittram, Haller, Johannes, in : NDB 7 (1966) 552f.; vgl.
zuletzt bes. Johannes Haller (1865–1947). Briefe eines Historikers, bearb. von Benjamin Hasselhorn nach
Vorarb. von Christian Kleinert (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts 71, München
2014) ; Benjamin Hasselhorn, Johannes Haller. Eine politische Gelehrtenbiographie. Mit einer Edition
des unveröffentlichten Teils der Lebenserinnerungen Johannes Hallers (Schriftenreihe der Historischen Kom-
mission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 93, Göttingen/Bristol, CT 2015).
414 UA Leipzig, PA 561, fol. 107.
415 Ebd. fol. 105.
416 Grüttner, Biographisches Lexikon (wie Anm. 41) 62 ; Art. „Golf, Arthur“, in : Klee, Personenlexikon (wie
Anm. 58) 192.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625