Seite - 257 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 257 -
Text der Seite - 257 -
Adolf Helbok (1883–1968) 257
Anwesenheit von Dekan Münster und von Dozentenschaftführer Siegfried Koeppen417
statt. Am 27. März 1936 verfasst Helbok einen Brief an Haller418, in dem es heißt : Ich
hielt am 31. I. die Festrede an der Universität. Sie wurde mit großem Beifalle aufgenommen
und daher in der Leipziger Studentenzeitung gedruckt. Hinterher entstand, wie ich eben erst
erfahre, das Gerücht, ich hätte sie nach Ihren „Epochen“ ohne Sie zu nennen verfaßt. Tatsa-
che ist, daß ich Ihr vortreffliches Buch in den Weihnachtsferien gelesen hatte zu einer Zeit,
da von der Abhaltung der Rede noch gar nicht gesprochen wurde[,] und weiter ist Tatsache,
daß mir das Werk bei Abfassung der Rede nicht mehr zur Hand war. Tatsache ist aber auch,
daß verschiedene Stellen, wo allgemein bekannte historische Dinge verhandelt werden, stilis-
tische Berührungen mit Ihnen aufweisen. […] So unangenehm mir diese Sache auch begreif-
licherweise ist[,] so unmöglich kann ich mir etwas vorwerfen, denn es geschah wirklich nicht
bewußt. Einzelne Ihrer Prägungen blieben mir einfach haften und wurden mir Eigentum,
ohne daß die Urheberetikette übrig blieb, weil die historischen Fakta selbst eben allgemein be-
kannt sind. So könnte die Angelegenheit an sich die erfreuliche Bestätigung der oft gerühmten
Tatsache sein, daß Ihre Darstellungskraft außerordentlich lebendig und wirkungsvoll ist419.
[…] Empfangen Sie den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung und Wertschätzung[.]
Heil Hitler ! Ihr ergebener Helbok[.] Ich füge noch hinzu, daß das Buch, wie mein Assistent
bezeugen kann, am 8. I. zurückging, während ich vom Dekan am 15. I. gebeten wurde[,] die
Rede zu halten.
Wie bald bekannt wurde, stammte die Denunziation vom Kötzschke-Schüler Herbert
Schönebaum, dem nach zwei gescheiterten Habilitationsversuchen „ewigen Oberrassisten-
ten“ an dem von Lamprecht gegründeten und damals von Hans Freyer geleiteten „Institut
für Kultur- und Universalgeschichte“420. Am 28. März verfasst Helbok einen weiteren Brief
417 Grüttner, Biographisches Lexikon (wie Anm. 41) 95. Der Nachruf Willi Schön, Prof. Dr. med. habil.
Siegfried Koeppen †, in : Biomedizinische Technik 22,1–2 (1977) 30f. erwähnt diese Episode in Koeppens
Leben nicht.
418 BAK N 1035/20. Für die Zusendung eines pdf danke ich dem Herausgeber der Briefe Johannes Hallers Ben-
jamin Hasselhorn (Passau) (vgl. Anm. 413) sehr herzlich.
419 Viel später äusserte sich Heribert Müller, siehe Müller, Der bewunderte Erbfeind (wie Anm. 413) 265–
317, hier 265, über die Wirkung Hallers beziehungsweise seiner Werke, die Helbok offensichtlich zum Ver-
hängnis wurde, wie folgt : „[…] seine Bücher, vor allem die bis in unsere Tage vielaufgelegten ‚Epochen
der deutschen Geschichte‘, aber auch die ‚Tausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen‘, haben über
Historikerzunft und akademisches Bürgertum hinaus weite Kreise erreicht. Sie waren meinungsbildend und
-prägend, zumal Haller über eine glänzende Formulierungsgabe verfügte und seine Meinung mit geradezu
suggestiver Wortmächtigkeit vorzubringen verstand.“
420 Zum 1888 geborenen Schönebaum, der also selbst nur fünf Jahre jünger als Helbok gewesen ist, vgl. Herbert
Grundmann, Prof. Dr. Herbert Schönebaum †, in : AKG 48 (1966 [1967]) 411 ; Lothar Mertens, Von
Priestern der Klio zu Sprachrohren der Partei. Die personelle Umstrukturierung der Geschichtswissenschaft
in der SBZ/DDR 1945/46 bis 1958, in : Politischer Systemumbruch als irreversibler Faktor von Moderni-
sierung in der Wissenschaft ?, hg. v. Lothar Mertens (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandfor-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625