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270 Martina Pesditschek
Doch nicht nur von Zieglers Seite erfuhr Helbok im Jahr 1938 Ungemach ; schon im Fe-
bruar 1938 begann, was Matthias Middell „Fronde der Kötzschke-Schüler“ genannt hat496.
Damals fand im Sächsischen Ministerium für Volksbildung „ein Gespräch mit Vertretern
des Heimatwerks497 statt“, in welchem sich diese über eine nunmehrige mangelnde Pflege
der sächsischen Geschichte an der Universität Leipzig beschwerten498. Damit wurde eine
von Helbok vergeblich als unheilbare Ansehensbeschädigung für seine Person bekämpfte Ent-
wicklung angestoßen, die schlussendlich in einer Errichtung eines eigenen „Seminars für
Sächsische Heimatforschung“ und einer Rückkehr des von Helbok seinerzeit vertriebenen
Walter Schlesinger als Dozent für sächsische Geschichte und Heimatforschung an sein Ins-
titut resultierte499. Auch sonst glückte Helbok in Leipzig nichts mehr : Vergeblich versuchte
er im November 1938 seine Professur – inzwischen genoss er auch die Bezüge eines Ordi-
narius – in ein Ordinariat umgewandelt zu bekommen500. In einer Sitzung am 15. Februar
1939 wurde sein Antrag mit einer geradezu höhnischen Begründung abgeschmettert501.
Helbok reagierte auf diese Niederlagen mit Krankheit und verstärkter Absenz von Leip-
zig. 1940 ging er sogar schon während des Sommertrimesters auf Urlaub und verlängerte
seine Vorlesungen deshalb zu Beginn des Trimesters502, angeblich um seine Forschungen
für eine deutsche Kulturgeschichte voranzutreiben, die auf dem Rassen- und Volkstumsgedan-
ken aufgebaut und zugleich eine abschließende Zusammenfassung meiner bisherigen verstreuten
Forschungsergebnisse auf siedlungs-, bevölkerungs- und rassengeschichtlichen sowie volkskund-
lichem Gebiete sein soll. Helbok betont, dass ihn Mitarbeiter rassenpolitischer Ämter […] auf
die Dringlichkeit dieser Aufgabe hingewiesen [haben]503. Im Herbst konnte Helbok seine
Arbeit in Leipzig dann nicht mehr planmäßig, sondern erst Anfang November wieder
aufnehmen504, da es ihm gesundheitlich schlecht ging, unter anderem litt er wieder an
Magenblutungen, wie sie ihn offenbar bereits zwei Jahre zuvor geplagt hatten505.
496 Middell, Weltgeschichtsschreibung (Bibl.) 694.
497 Einer Gründung des sächsischen Gauleiters und Reichsstatthalters Martin Mutschmann, vgl. Ludwig, „Ein
sonniges Neuland“ (Bibl.) 67 Anm. 103.
498 Ebd. 67f.
499 Vgl. Dies., Das „Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde“ (Bibl.) 162 ; Dies., Adolf Helbok […]
und die „Gleichschaltung“ (Bibl.) 88 ; am ausführlichsten Dies., Rudolf Kötzschke (Bibl.) 60–62.
500 UA Leipzig, PA 561, fol. 151f.
501 UA Leipzig, PA 561, fol. 160 : Die von Prof. Helbok erarbeitete Forschungsmethode sei im Begriffe[,] Eingang in die
allgemeine Geschichtswissenschaft zu finden. Die Erhöhung zum Ordinariat bringe die Gefahr mit sich, daß der Prozeß
der Verschmelzung gehemmt werde und sozusagen der Geschichtswissenschaft eines ihrer Glieder vorenthalten werde.
502 UA Leipzig, PA 561, fol. 167–171.
503 Ebd. fol. 167 = UAI, PA AH, 8.2.1940 ; wohl die spätere „Deutsche Volksgeschichte“ 1–2 (wie Anm. 32).
504 UA Leipzig, PA 561, fol. 175.
505 Ebd. fol. 172–175 ; vgl. auch UAI, PA AH, Stellungnahme zu den Vorhaltungen, wo Helbok konkretisiert,
dass er solche im Gefolge der schweren Aufregungen 1934/36 erlitten habe.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625