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272 Martina Pesditschek
nur das Archiv in Bregenz erhalten, sondern auch noch Vorarlberg überhaupt von Tirol
trennen und vielmehr dem Gau Schwaben angliedern wollte512. Ein anderer alter Gegner
Helboks, Paul Pirker, schilderte dessen damaliges Verhalten folgendermaßen : „Als Hitler
zur Macht kam, wurde er Freund vom Gauleiter Hofer“, und nach Helboks Rückkehr aus
Leipzig „studierten nun beide Herren die Geschichte Vorarlbergs, und um es sich in jeder
Hinsicht bequemer zu machen, hatten sie den Plan, unser Landesmuseum, das Landesar-
chiv und – die Hypothekenbank nach Innsbruck zu verlegen. Die Siedlungsphantasie Dr.
Helbocks [sic] fand, daß der Name ‚Vortirol‘ schöner klinge als jener Vorarlbergs, und wie
im Jahre 1921, so war er auch jetzt gegen die Selbständigkeit des Landes Vorarlberg“513.
Demgegenüber behauptete Helbok in seinen „Erinnerungen“, Hofer habe ihn für einen
„Vorarlberger Separatisten“ gehalten, ohne ihm aber deshalb Vorhaltungen zu machen514.
Seinen Leipziger Assistenten Ranzi konnte Helbok zwar nach Innsbruck mitnehmen,
die Stelle musste jedoch mit wechselnden weiblichen Mitarbeitern besetzt werden, sobald
Ranzi zur Wehrmacht eingezogen worden war515. 1942 überantwortete Helbok in allzu
optimistischer Erwartung eines „Endsieges“ seinem Universitätsinstitut eine umfangrei-
che Sammlung von Karten, Büchern, Lichtbildern und technischen Geräten als Schen-
kung516. Schon 1941 erhielt Helbok von der Wiener Akademie der Wissenschaften eine
Subvention für die Herausgabe einer Bibliographie des alpenländischen Volkstums. In diesem
Werk sollte nach den Plänen Helboks ausser dem volkskundlichen und geschichtlichen auch
der bevölkerungspolitische und rassengeschichtliche Gesichtspunkt zur Geltung517 kommen,
es sollte von Leo Blaas, dem Sohn des bereits 1936 verstorbenen Innsbrucker Geologen
Josef Blaas518, erstellt werden519. „Die sich damals von Jahr zu Jahr verstärkenden Luftan-
512 Ebd. 664 ; vgl. auch Radomír Luža, Österreich und die großdeutsche Idee in der NS-Zeit (Forschungen zur
Geschichte des Donauraumes 2, Wien/Köln/Graz 1977) 247f. Anm. 48.
513 Pirker, Citadelle (wie Anm. 69) 52.
514 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 170.
515 Johler, „Volksgeschichte“ (Bibl.) 545.
516 Ebd. 545f. mit Anm. 30 ; Ders., „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 591 ; vgl. unten S. 284 mit Anm.
580. Zu dieser Schenkung gehörte allerdings nicht seine offenbar sehr umfängliche Privatbibliothek, vgl.
Timmel, Helbok (Bibl.) 23 : „Wer je den Blick aus seiner Arbeitsstube von den wandhohen Regalen der Bi-
bliothek hinaus auf die Tiroler Berge werfen konnte, begriff, was es für eine Bewandtnis um die Einheit von
Geist und Natur hat.“
517 AÖAW, Subventionen Kt. 14, Zl. 354 ex 1941.
518 Art. „Blaas Josef“, in : ÖBL 1 (Wien 1957) 90 ; Robert R. v. SrBik, Josef Blaas. Ein Gedenkblatt zum 80.
Geburtstag (Hiezu ein Schriftenverzeichnis), in : Verhandlungen der Geologischen Bundesanstalt 1931, 193–
200.
519 AÖAW, Protokoll der Sitzung der phil.-hist. Kl. (21.01.1942) C 2643, Protokoll der Sitzung der phil.-hist.
Kl. (03.03.1943) C 2661, Protokoll der Sitzung der phil.-hist. Kl. (05.05.1943) C 2664, ebd. Subventionen
Kt. 14, Zl. 354 ex 1941 ; zum 1916 promovierten Juristen und Esperantisten Leo Blaas (1891–1951), der
„1939–1947 Mitarbeiter am Institut für Volkskunde“ war, siehe Dr. Leo Blaas, in : Leo Blaas, Das Dorfbuch
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625