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Adolf Helbok (1883–1968) 279
sterreichgedanken hingeben zu können, bliebe ich im Amte548. „Für ein Verbleiben Helboks
im Lehramt“ trat in einem „Gutachten“549 vom 4. Dezember 1945 zusätzlich auch sein
stets loyaler akademischer Lehrer Wopfner ein550, der mittlerweile als Honorarprofessor
Helboks vormalige Lehrkanzel für Volkskunde versah und auch das gleichnamige Institut
(mit seinem zukünftigen Nachfolger Karl Ilg551 als Assistenten) leitete552.
Gleichwohl wurde Helboks damaliges Bekenntnis zu Österreich nicht nur von seinem
alten Feind Pirker angezweifelt553. Allen eigenen Erklärungen und Versprechungen bzw. den
Fürsprachen anderer Persönlichkeiten zum Trotz lautete das behördliche Urteil kaum anders
als jenes von Pirker : Helbok konnte nicht mehr an die Universität zurückkehren. In der von
Verwaltungsdirektor Richard Pokorny unterzeichneten Begründung der abschlägigen amt-
lichen Entscheidung ist zu lesen : Mag Helbok als Wissenschaftler mit manchen Auswüchsen
548 Zitiert nach der Publikation durch Johler, „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 590.
549 In diesem „Gutachten“ heißt es unter anderem : Helbok hat im Verein mit Schülern eine große Arbeit über die
Bedeutung der Österreicher und über ihre ganz überragende Stellung in der Führung des geistigen, wirtschaftlichen
und politischen Lebens Deutschlands in der Zeit von 1650–1850 begonnen. Diese Arbeit wird, wenn sie entspre-
chend durchgeführt wird, geeignet sein, nicht nur nach außen und innerhalb des deutschen Volkes die Bedeutung
des Österreichertums ins richtige Licht zu stellen, sondern auch der raunzigen Selbstkritik der Österreicher entge-
genzutreten. […] Es schiene mir also – vom Standpunkt des Östereichers aus betrachtet – sehr unklug, H. wegen
der ihm vorgeworfenen politischen Entgleisungen aus dem Lehramt zu verdrängen und damit die Vollendung einer
für Österreich in der Tat wichtigen Arbeit zu verhindern. Es schiene mir aber auch ungerecht, einen Mann, der
zur Zeit, da solches gar nicht ungefährlich war, die Bedeutung österreichischen Wesens so nachdrücklich betonte,
aus dem Amt, in welchen [sic] er für Österreich wirkte, zu entfernen ; UAI, PA AH, publiziert von Goller,
OBerkofler, Universität Innsbruck (Bibl.) 76–79, hier 78. Im Dezember 1945 verwandte sich übrigens
auch noch der Jurist Leo Blaas (1891–1951, vgl. oben Anm. 519) für Helbok ; er hob dessen internationale
Stellung hervor und meinte weiters : Helbok ist einmal der geborene Organisator – sowie man ihm nachsagt, er sei
ein ausgezeichneter „Festredner“ ! Das letztere erklärt übrigens auch so manch kräftige Note der einen oder anderen
Rede, die ihm nun zur Last gelegt wird – wie man hört : UAI, PA AH, 18.12.1945.
550 UAI, PA AH, Gutachten betreffend Prof. Dr. Adolf Helbok, publiziert von Goller, OBerkofler, Univer-
sität Innsbruck (Bibl.) 76–79 ; vgl. Johler, „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 590f.
551 Hans Gschnitzer, In memoriam Univ.-Prof. Dr. Karl Ilg 1913–2000, in : Tiroler Heimatblätter 75,3
(2000) 146f.; Johler, „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 592–594, 596f.
552 Ebd. 594, 596f.; vgl. Olaf Bockhorn, Neue Sachlichkeit ? Volkskunde nach 1945, in : Archaeologia Austri-
aca 90 (2006) 17–30, hier 20.
553 Pirker, Citadelle (wie Anm. 69) 66f. schrieb über ihn 1946 : „Er machte politisch alle Wandlungen mit,
insoweit sie für ihn vorteilhaft waren : In Bregenz guter Vorarlberger, in Innsbruck guter Tiroler, in Leipzig
Musterknabe der größten Leistungsrasse, um momentan als biederer Oesterreicher zu starten. Konsequent
blieb er nur in einem : Er war stets gegen ein unabhängiges Oesterreich. In seinen alten Tagen möchte er noch
schnell ein guter Oesterreicher werden. Das ist sehr schön und zu begrüßen. Aber dieser Herr will jetzt in
Innsbruck wieder eine Lehrstelle erhalten und glauben machen, daß er die Jugend österreichisch erziehen will
und kann. Das ist nichts anderes, als daß er seinem ganzen Leben eine Lüge aufdrückt, und ich halte Herrn
Dr. Helbock [sic] für fähig, noch schnell ein Buch über ‚Berühmte Oesterreicher‘ zu schreiben. Soviel über
seinen politischen Charakter.“
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625