Seite - 285 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 285 -
Text der Seite - 285 -
Adolf Helbok (1883–1968) 285
Srbik reagierte nicht ganz so wie offenbar erhofft : Zwar übermittelte er bereits am 13.
Juli 1948 die von Helbok verfassten Schreiben an die Unterrichtsverwaltung, enthielt
sich aber jeder eigenen positiven Bewertung und forderte den von ihm nicht namentlich
genannten Sektionschef im Unterrichtsministerium nur auf, er möge diese nach seinem
eigenen Ermessen (nach Ihrem Ermessen) verwerten581. Srbik konnte für Helbok kaum
große Sympathie empfinden : Diesem eignete ebensowenig wie Srbiks Todfeind Josef
Strzygowski582 die für ein Akademiemitglied typische Gemessenheit und Würde, und
er hatte überdies in „Was ist deutsche Volksgeschichte ?“583 von 1935 Srbiks Einstellung
gegenüber der Donaumonarchie indirekt kritisiert584. Diese und vermutlich auch noch
zahlreiche weitere, keinen schriftlichen Niederschlag findende Manöver Helboks585 führ-
ten schließlich doch noch zum ersehnten Resultat : Die Tiroler Landeshauptmannschaft
„stellte am 30. September 1949 bescheidmäßig Helboks österreichische Staatsbürgerschaft
endgültig fest“ ; dieser habe glaubhaft machen können, dass ihn eine Aberkennung seiner
österreichischen Staatsbürgerschaft in Leipzig nie erreicht habe586, während die Behörde
Volkskunde der Universität Innsbruck ; vgl. Verzeichnis der künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturpo-
litischen Nachlässe in Österreich, http://aleph21-prod-acc.obvsg.at/F ?RN=344266303
581 AdR, PA AH, fol. 88 ; vgl. Johler, „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 591.
582 Vgl. Pesditschek, Heinrich (Ritter von) Srbik (wie Anm. 18) 305, 317 ; Alexander Zäh, Josef Strzygow-
ski als Initiator der christlich-kunsthistorischen Orientforschung und Visionär der Kunstwissenschaft, in :
Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 107,3–4 (2012) 249–292,
hier 265 Anm. 95. Strzygowski ist in Helboks Spätwerk übrigens sehr positiv rezipiert worden, vgl. Adolf
HelBok, Die Einheit Europas im Mittelalter, in : Klüter Blätter. Deutsche Sammlung 13,1 (Lochham b.
München 1963) 1–6, hier 4 : „Die vergleichende Kunstbetrachtung des Wieners Strzygowski hat auf diesem
Wege große Anerkennung gewonnen, aber dann wurde es wieder still. Es ist typisch, wie geniale Ideen gerade
auf dieser Linie in der Folge immer zeredet [sic] oder totgeschwiegen werden“ ; Ders., Deutsche Volksge-
schichte 1 (wie Anm. 32) 72f., 176, 234.
583 HelBok, Was ist deutsche Volksgeschichte ? (wie Anm. 295).
584 Vgl. oben S. 246 mit Anm. 350. Dementsprechend missgünstig fiel dann auch Helboks Beurteilung in Srbiks
großem Alterswerk aus : Heinrich Ritter von SrBik, Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis
zur Gegenwart 2 (München/Salzburg 1951) 342 : „Wenn aber nun die vorgeschlagene ‚Volkstumsgeschichte‘
die Geschichte des deutschen ‚Volksleibes‘ auch als eines biologischen Organismus erarbeiten, wenn sie vier
‚Stockwerke‘ der Siedlungsgeschichte, der Volkskörpergeschichte, der Rassengeschichte und der völkischen
Kulturgeschichte aufbauen wollte und auf die ersten drei eine völkische Rassenpolitik gründen und das vierte
in einer Lehre von der schöpferischen Nordrasse und der Auserwähltheit des deutschen Kernvolkes Europas
gipfeln ließ, dann wurden die berechtigten Grenzen überschritten.“
585 Vgl. Johler, „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 589 : „Diese wohlwollende Behandlung war allerdings
erst durch zahlreiche Interventionen möglich geworden. Helbok konnte sich auf die Wirksamkeit von politi-
schen, landsmannschaftlichen und wissenschaftlichen Netzwerken verlassen sowie mit persönlichen Verbun-
denheiten rechnen.“
586 Ebd. 589, 597 Anm. 12 ; vgl. AdR, PA AH, fol. 101–103 ; UAI, PA AH, Begründung. Tatsächlich be-
hauptete Helbok auch schon in einem Schreiben an den Rektor der Universität Leipzig Felix Krueger vom
13.11.1935, dass er nicht wisse, ob er noch österreichischer Staatsbürger sei, weil ich noch keine amtliche
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625