Seite - 303 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Adolf Helbok (1883–1968) 303
Führungsübels brachte die Verbindung mit dem mir zum Freunde gewordenen großen
Eugeniker und weltberühmten Rassenforscher Eugen Fischer die Wende : Ich wurde mit
der Sozialanthropologie, Eugenik und Erbbiologie in seinem Dahlemer Institut in Berlin
vertraut und drang, von ihm beraten, in den ganzen Umkreis dieser wissenschaftlichen
Literatur ein, schließlich gerade in den Jahren, da eine Wende im Schicksal des deutschen
Volkes sich ankündigte696 und maßgebende Männer, zum großen Teil gebildet an densel-
ben Quellen wie ich697, sich zusammenfanden.“698
Dieser zweite Band dürfte zu etwas größeren Teilen als der erste Band erst nach 1945
abgefasst worden sein. Zu diesen Teilen zählen vielleicht das ganze dritte Kapitel „Goe-
the : Höhe und Ende kosmischen Strebens“699, heißt es doch in Helboks Erinnerungen :
„In den bösen Jahren seit 1945 wurde mir Goethe ein neuer Begleiter. Die große geistige
Welt dieses von mir am meisten verehrten Dichters hat mir damals erste innere Ruhe
gegeben.“700 Beinahe so etwas wie Selbstkritik klingt dabei auf Seite 253 an : „Daß aber
die Grundideen von Goethes Lebensweisheit und seine Hinziehung auf das endgültige
Reich der Deutschen als ein Reich hoher Kultur entwickelter Persönlichkeitsmenschen
Allgemeingut der Deutschen werde, das möge die Zukunft in sich bergen. Goethe, der
Seher, sah es, und wir haben es einige Jahre im Werden geglaubt.“701 Das Ende des Ka-
pitels beschwört dann „Zuversicht in tiefster heutiger Erniedrigung […] im Gedenken
der Worte unseres Titanen : Doch, was dem Abgrund kühn entstiegen, / kann durch ein
ehernes Geschick / den halben Weltkreis übersiegen, / Zum Abgrund muß es doch zu-
rück !“702 Es ist leider anzunehmen, dass Helbok den Goetheschen „Abgrund“ nicht mit
dem Nationalsozialismus, sondern mit den Siegermächten gleichgesetzt hat.
696 Dies sicherlich eher eine Umschreibung von 1932 als 1934 ; vgl. oben S. 227 mit Anm. 247.
697 Wohl eine Anspielung auf den Deutschen Herrenklub, vgl. oben S. 227 mit Anm. 247.
698 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 476. Im Übrigen geht es dem kinderlos verbliebenen
Helbok auch in diesem Schlusswort 479 wieder um positive Eugenik : „[…] dann gibt es eine weitere überaus
wichtige Forderung, nämlich, daß das Volk zu einer richtigen Gattenwahl erzogen wird. Die heutige Darauf-
los-Heiraterei ist durch die Idee der Gleichheit aller gefördert worden.“
699 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 201–258.
700 Ders., Erinnerungen (Bibl.) 119.
701 Goethe wird von Helbok also schlussendlich als Vordenker einer neuen Deutschen Reichsidee interpretiert,
vgl. ebd. auch 252 : „[…] und damit wurde er immer überzeugter deutschbewußt, je älter er wurde. […]
In Goethe starb der Gedanke an das ‚kommende Reich‘ nie aus, und der zweite Teil seines Faust […] wird
durchzogen von einer klaren Linie zur Gründung des neuen Reiches.“ Vgl. etwa auch schon Friedrich Wol-
ters, Goethe als Erzieher zum vaterländischen Denken (Altona 1925).
702 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 258.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625