Seite - 305 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Adolf Helbok (1883–1968) 305
der selbst zwecks Wiedererlangung seiner Pension jegliches sacrificium intellectus darbrachte,
auf Seite 69 einen „Drang, sich gegen alle erdenklichen Wechselfälle des Lebens zu sichern“,
„eine starke Verbeamtung des Volkes“, einen „Drang nach dem sicheren Einkommen“ und
einen „Rentnergeist“ beklagt, und es spricht freilich schon Bände, wenn er bei seiner Weh-
klage über die zeitgenössische Dekadenz den „Rassen“-Günther viel häufiger als Spengler711
zitiert. Statt der „westlichen“ Demokratie, d. h. statt des „Parlamentsstaates“, empfiehlt er
als dem „deutschen Wesen gemäße Demokratie“ den „Ständestaat“712 – dann hätte Helbok
selbst freilich eher für Dollfuß (oder später für die Stauffenbergs) als für Hitler713 optieren
sollen, aber was Helbok am Ende des Abschnitts „Der deutsche Weg bis 1933“ schreibt714,
ist offenkundig eine Apologie, ja Apotheose des Nationalsozialismus. Mit diesem zweiten
Band ist noch keineswegs das gesamte Manuskript der „Deutschen Volksgeschichte“ der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Es gab offenbar auch noch einen Manuskript-
teil, der das in den veröffentlichten Bänden ausgesparte „Dritte Reich“ behandelte, und
dies in einer Weise tat, dass selbst Grabert von einer Publikation Abstand nehmen wollte715.
Die fortgesetzte Selbstidentifikation Helboks mit dem Nationalsozialismus ist nicht ei-
gentlich logisch, handelte es sich bei ihm doch, wie schon zuvor festgestellt, weder um
einen rabiaten Antisemiten noch um einen Bellizisten, und wer einen (tatsächlich von
Helbok verfassten) Abschnitt liest wie „Die ursprüngliche liberale Demokratie hatte noch
die Toleranz, Minderheiten nicht zu unterdrücken. Dieses edle Prinzip ist gefallen. Der
Massengeist ist gegen jede Minderheit. Er haßt alles, was nicht zu ihm gehört und was über
ihm steht. Das ist die Rebellion der Masse. Die Herren der Elitezeit handelten aus einem
Bok, Erinnerungen (Bibl.) 177f. und etwas anders 207–210. Solch vereinzelte einsichtsvolle Bemerkungen
stellen in Helboks Werk leider nur erratische Blöcke dar.
711 Den er – so wie alle „Völkischen“ – nicht leiden konnte, vgl. Stefan Breuer, Retter des Abendlandes. Speng-
lerkritik von rechts, in : Jb. zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik 9 (2004) 165–193.
712 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 463. Ebd. 465 scheint er allerdings einfach einem auf
Landbesitz beschränkten Zensuswahlrecht den Vorrang zu geben : „In England fiel das Vorrecht der Landbe-
sitzer erst 1832. Vordem konnten die Industriestädte […] keine Abgeordneten ins Parlament senden, wäh-
rend bevölkerungsarme, kleine Kreise in ländlichen Gebieten Abgeordnete stellten. Hier lebte der altüberlie-
ferte germanische Geist weiter.“ Nach einem solchen Prinzip wäre zwar manch ein Einwohner von Götzens
wie er selbst, aber kaum ein Innsbrucker wahlberechtigt gewesen.
713 Der einen Ständestaat just als „reaktionär“ ablehnte, siehe Hitler aus nächster Nähe (wie Anm. 329) 397.
714 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 400 : „Das Bürgertum des Deutschen Reiches […]
mußte erst wirtschaftlich und sozial zerbrechen, ehe die Bahn frei wurde für eine neue Idee der Gemeinschaft
des Gesamtvolkes.“
715 Vgl. Timmel, Helbok (Bibl.) 23 : „Das Schicksal eines 3. Bandes ist ungewiß. Nicht nur wegen des Todes Adolf
Helboks, sondern auch wegen der Brisanz des Stoffes. Geht es doch um die Probleme und Ereignisse der letzten
Jahrzehnte, um Aufstieg und Fall des deutschen Volkes. Wer die Wahrhaftigkeit und den Mut Helboks kannte,
weiß, daß es nicht leicht sein wird, seine Schlußkapitel in dieser Zeit der Öffentlichkeit zu übergeben.“
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625