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316 Gudrun Wlach
Die Familie der Mutter, Valerie Korab von Mühlström (1860–1942), stammte aus Böh-
men10, der Großvater mütterlicherseits, Franz Korab Ritter von Mühlström (1817–1886),
war Finanzlandesdirektor in Graz. Die Herkunft der Großmutter mütterlicherseits, Anna
Henriette Breitenfeld (1827–1887), wird noch eine wesentliche Rolle für Praschnikers
Karriere und Verhalten in der NS-Zeit spielen11. Der Beruf des Vaters brachte wechselnde
Wohnorte mit sich. Praschniker besuchte die Volksschule in Radkersburg (Steiermark),
Lienz (Osttirol) und Celje/Cilli (Untersteiermark/Slowenien). Im September 1894 trat er
in das Gymnasium in Celje ein, das er bis zum Schuljahr 1898/99 besuchte. Die letzten
vier Schuljahre verbrachte er in Graz, wo er im Juli 1902 auch die Reifeprüfung ablegte12.
Aus der Zeit in Celje stammt eine Anekdote, wie sie in ähnlicher Form aus dem Lebens
vieler Archäologen tradiert wird – ein Eindruck aus der Kindheit, der das Interesse an dem
Fach begründete13 : Für die Wahl meines Studiums war ein Jugendeindruck massgebend gewesen.
Während unseres Aufenthaltes in Cilli wurde vor den Fenstern unserer Wohnung eine altchristli-
che Basilika14 ausgegraben, was das höchste Interesse des Knaben weckte. Am Obergymnasium in
Graz wurde durch meinen Lateinlehrer Dr. Gutscher – er hat sich auch literarisch als Archaeologe
betätigt – dieses Interesse immer aufs neue belebt und als mein Vater 1902, nun schon in leitender
Stellung, nach Innsbruck übersiedelte, kam für mein Studium nur die klassische Altertumswissen-
schaft in Frage. Der Wohn- und Schulort Celje war möglicherweise auch in anderer Hinsicht
prägend. Im Zuge zunehmender Nationalisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
entstanden in den gemischtsprachigen Gebieten der Habsburgermonarchie deutsche natio-
nale „Schutzvereine“, im slowenisch-deutschsprachigen Gebiet der „Deutsche Schulverein
Südmark“15. Diese nationale Prägung sowie eine Mitgliedschaft im Verein Südmark erwähnte
10 Keil, Praschniker (wie Anm. 5) 292 ; UAW, PA Praschniker 2933, fol. 119.
11 Siehe unten Kap. 6.6.
12 Das Gymnasium in Celje und das „II. Staatsgymnasium“ in Graz besuchte auch der um zwei Jahre jüngere
Arnold Schober (1886–1959) ; auch er hatte Hans Gutscher als Lateinlehrer. Praschniker und Schober blieben
über die Jahrzehnte in beruflicher und freundschaftlicher Verbindung.
13 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 119.
14 Zur Basilika in Celje, die 1897 anlässlich der Errichtung des k. k. Post- und Telegrafengebäudes aufgedeckt
wurde, siehe Franz Glaser, Frühes Christentum im Alpenraum : eine archäologische Entdeckungsreise (Re-
gensburg 1997) 65–67 ; Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege 24 (1898) 219–225.
15 Monika Streitmann, Der Deutsche Schulverein vor dem Hintergrund der österreichischen Innenpolitik
1880–1918 (ungedr. Diss. Wien 1984) ; Eduard G. Staudinger, Die Südmark. Aspekte der Programmatik
und Struktur eines deutschen Schutzvereins in der Steiermark bis 1914, in : Geschichte der Deutschen im Be-
reich des heutigen Slowenien 1848–1941 / Zgodovina nemcev na območju današnje slovenije 1848–1941, hg.
v. Helmut Rumpler, Arnold Suppan (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts
13, München 1988) 130–154 ; Sigrid Kiyem, Der Deutsche Schulverein Südmark 1918–1938 (ungedr. Dipl.
Wien 1995) ; Werner DroBesch, Der Deutsche Schulverein 1880–1914. Ideologie, Binnenstruktur und Tä-
tigkeit einer deutschnationalen Kulturorganisation unter besonderer Berücksichtigung Sloweniens, in : Kultu-
relle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum vom Anfang
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625