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328 Gudrun Wlach
1915 hatte sich Praschniker mit einer Arbeit über die Akrotere des Parthenon an der
Universität Wien habilitiert83. Die Zulassung als Privatdozent für Klassische Archäologie
wurde in der Sitzung des Professorenkollegiums am 12. Dezember 1914 beschlossen. Die
Bestätigung der venia legendi durch das Ministerium erfolgte im März 191584. Im Winter-
semester 1918/19 begann Praschniker seine Lehrtätigkeit als Privatdozent an der Univer-
sität Wien und hielt allgemeine Einführungen zur Entwicklung der Architekturstile, über
griechische Vasenmalerei, Skulpturen in den Wiener Museen sowie auch Vorlesungen im
Abgussmuseum der Akademie der bildenden Künste. Aus einer Vorlesung über die Kunst
der griechischen Vor- und Frühzeit entstand die 1923 publizierte Arbeit „Mykenai, Kreta,
Dipylon“85. Praschniker betonte diesen Aufsatz später – in seinem Lebenslauf 194186 und
in seinem Schreiben Mein Führer 194287 – ganz besonders : Schon im Jahre 1921 habe
ich, wie ich hervorheben darf, wohl als erster in meiner Wissenschaft, die Kunstübung eines
Volkes als Funktion seiner Rasse und seines Blutes erklärt und versucht diesen Gedanken für
die komplizierten Vorgänge der frühgriechischen Kunstentwicklung auszuwerten. Der Auf-
satz behandelt die Entwicklung der antiken Kultur von der kretisch-mykenischen über
die geometrische zur archaischen und klassischen griechischen Kunst. Der „hellenische
Geist“, die griechische Kunst triumphiert letztlich, während die kretische Kunst, die als
etwas „Fremdes“ empfunden wird, dem Untergang geweiht ist. Die kretische Kultur war
für Praschniker eine „artfremde“ Kultur, die mykenische diejenige, die zum Griechentum
hinführte88. Praschniker vertrat in dem Aufsatz die Meinung, dass „jedes Volk bestimmte,
ihm angeborene geistige Anlagen mit sich [bringe], die in ihrer Summe seinen National-
charakter ausmachen.“89. Diese Arbeit aus den 1920er Jahren, die in ihrem rassistischen
Ansatz durchaus dem Denken der Zeit entsprach, diente 1942 der ideologischen Recht-
fertigung, die seine Nähe zur herrschenden Wissenschaftsdoktrin im Nationalsozialismus
83 Seine Habilitationsschrift über die Akrotere des Parthenon erschien 1929 als Monographie : Camillo Prasch-
niker, Zur Geschichte des Akroters (Schriften der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität in
Prag 5, Brünn/Prag/Leipzig/Wien 1929).
84 ÖStA, AVA, PA Praschniker, fol. 1–8 : Habilverfahren ; UAW, PA Praschniker 2933, Habilitationsakt : fol.
3–29. Bestätigung der Habilitation : CUM Zl. 7088/15 vom 12.03.1915.
85 Camillo Praschniker, Mykenai – Kreta – Dipylon, in : Wiener Jb. für Kunstgeschichte NF 2 (1923) 14–35.
86 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 123.
87 Ebd. fol. 117r.
88 Praschniker, Mykenai (wie Anm. 85) 35 : „Es ist der hellenische Geist, der von der kretischen Zaubernym-
phe in ihre bunten Netze verstrickt fast sich selbst aufgegeben hat, dann aber ihr das Herzblut aussaugt, ihr
Kraft und Leben nimmt und schließlich triumphierend neben seiner entseelten Verführerin steht. So ist dieser
ganze Prozeß, der […] schließlich zur geometrischen Kunst führt, […] vielmehr eine Befreiung des griechi-
schen Geistes von etwas, was ihm immer fremd bleiben mußte.“
89 Praschniker, Mykenai (wie Anm. 85) 22.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625