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Camillo Praschniker (1884–1949) 351
6.1 Angliederung des Österreichischen Archäologischen Instituts an das Archäologische Institut
des Deutschen Reiches
Präsident des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, des bisherigen „Schwesterin-
stituts“, war seit Januar 1938 Martin Schede208. Nach dem „Anschluss“ wurde die Frage der
künftigen Gestaltung und Eingliederung des Wiener Instituts Gegenstand von Beratungen in
verschiedenen Ämtern und Institutionen. Seitens der Politik waren die Ministerien in Wien
und Berlin zuständig. Das österreichische Unterrichtsministerium, dem die Universität und
somit auch das ÖAI unterstanden, wurde im Juni 1938 in die „Abteilung IV, Erziehung,
Kultus und Volksbildung des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten“ um-
gewandelt und im November 1940 endgültig aufgelassen209. Im Reichserziehungsministe-
rium in Berlin (REM) war der Jurist Hermann-Walther Frey210 der zuständige Referent. Von
Seiten der österreichischen Archäologen waren die Direktoren Praschniker und Egger an Ver-
handlungen bezüglich der künftigen Stellung des ÖAI beteiligt. Wahrscheinlich waren sie in
Entscheidungen aber nicht wirklich eingebunden. Beteiligt war auch der Althistoriker Keil,
der gemeinsam mit Praschniker und Egger das Archäologisch-Epigraphische Seminar leitete.
In ÖAI-Belangen agierte er inoffiziell und „privat“. Auf der Seite des Deutschen Reiches war
es der Präsident Schede, dessen Meinung wahrscheinlich Gewicht hatte.
Auswirkungen der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich auf die Organi-
sation der wissenschaftlichen archäologischen Arbeit wurden in informellen Gesprächen
zwischen Schede und Keil bereits Ende März in Berlin anlässlich der Jahressitzung der
Abteilung Istanbul des AIDR diskutiert211. Gespräche fanden anschließend auch zwi-
schen Keil und Ministerialrat Frey statt. Keil übermittelte die wichtigsten Punkte an die
Direktion des ÖAI, an Praschniker und Egger212 : Schede habe betont, dass das ÖAI mit
seiner Zeitschrift, den Österreichischen Jahresheften, erhalten bleiben müsse, auch die
Ausgrabungen in Ephesos mit der Publikationsreihe Forschungen in Ephesos. Es sollte
eine enge Zusammenarbeit der Römisch-Germanischen Kommission (RGK)213 mit ent-
sprechenden Unternehmungen in Österreich stattfinden. Das Sekretariat Athen sollte aber
208 Kurt Bittel, Martin Schede 1883–1947, in : Archäologenbildnisse, 220f.
209 LichtenBerger-Fenz, Bahnen (wie Anm. 207) 549–569.
210 Frey (1888–1968) war von September 1935 bis 1945 Referent im Amt Wissenschaft des REM. Michael
Grüttner, Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik (Studien zur Wissen-
schafts- und Universitätsgeschichte 6, Heidelberg 2004) 53.
211 Keil dürfte durch seine Arbeiten in Kleinasien gute Beziehungen zur Abteilung Istanbul des AIDR und offen-
bar auch zu Martin Schede gehabt haben.
212 AÖAI, Akten, Zl. 223/38 :C : Keil an ÖAI, 04.04.1938.
213 Die 1902 gegründete Römisch-Germanische Kommission in Frankfurt am Main ist eine Abteilung des Deut-
schen Archäologischen Instituts.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625