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352 Gudrun Wlach
an das Reichsinstitut übergeben werden. Ende April benachrichtigte Schede Praschniker,
dass das Ministerium in Berlin einen Bericht über das Wiener Archäologische Institut
wünsche und bat um eine Darstellung der jetzigen Verhältnisse214. In seinem Antwort-
schreiben artikulierte Praschniker seine und Eggers Meinung über das künftige Schicksal
des Instituts215, die im Wesentlichen dem entsprachen, was Keil aus Berlin berichtet hatte.
Das Ziel sei, die Institution und ihren Wirkungskreis in engem Einvernehmen mit dem
AIDR und der RGK zu bewahren, das Athener Sekretariat könne aber wohl nicht als ei-
gene Abteilung aufrechterhalten werden. Diesem Hauptschreiben fügte Praschniker eine
zusätzliche Mitteilung bei, in welcher er die Befürchtung äußerte, durch das Entstehen
neuer Institutionen (Landesamt für Denkmalpflege, Südost-Institut) die Kompetenzbe-
reiche Inlands- und Balkanforschung zu verlieren. Praschniker sprach sich dafür aus, eher
bestehende Organisationen zu stärken.
Im Oktober 1938 nahm Praschniker als Delegierter der Universität Wien an der
100-Jahr-Feier der griechischen archäologischen Gesellschaft in Athen teil. Er wurde dort
zum Ehrenmitglied ernannt216. Zu diesem Zeitpunkt scheint schon klar gewesen zu sein,
dass das ÖAI nicht mehr wie bisher weiterbestehen könne, der Anschluss des österreichi-
schen Sekretariats in Athen an das deutsche Institut war jedenfalls ein Gesprächsthema
während dieses Aufenthalts. Walther Wrede217, seit 1937 Direktor des AIDR Athen, be-
richtete in einem persönlichen Schreiben an Schede, Praschniker sei während seines Auf-
enthalts von griechischer Seite – als „Beileid“ – auf diesen „Anschluss“ angesprochen
worden, was unangenehm und politisch unerwünscht sei. Praschniker hätte auch in seiner
Rede in der Akademie den Ton nicht richtig getroffen, als er das ÖAI verabschiedete218 :
Ich hatte das am Tag vorher mit ihm genau besprochen, und wir hatten nun gehofft, es würde
eine klare Anschlussfreudigkeit zum Ausdruck kommen. Das gelang aber nicht. Wrede lenkte
aber zu Praschnikers Entschuldigung ein, dass dies nur Ungeschicklichkeit gewesen zu
sein scheint, da seine Einstellung einwandfrei sei.
Im November 1938 schrieb Praschniker enttäuscht an Schede, dass bisherige Verein-
barungen über die Zukunft des Instituts wieder umgestoßen zu sein schienen219. Bei der
214 AÖAI, Akten, Zl. 272/38 :C : Schede an Praschniker, undatiert ; Praschniker an Schede, 30.04.1938.
215 Siehe auch ADAI, Altregistratur, 10-05 Aufbau/Allg. 1938 bis ca. 1945, Tgb. 5211/38.
216 AÖAI, Akten, Zl. 833/38 :H vom 05.11.1938 : Bericht Praschniker an Rektor.
217 Wrede war seit 1935 Landesgruppenleiter der NSDAP, also der höchste Repräsentant der Partei in Griechen-
land, von 1937–1941 Erster Sekretär am AIDR Athen. Siehe Michael Krumme, Walther Wrede (1893–
1990), in : Lebensbilder (wie Anm. 5) 159–176, hier 162.
218 ADAI, NL Schede, Kasten 14, Mappe „Dienstlich DAI 1936–1940“, Tgb. 512/38 : Wrede an Schede,
30.10.1938.
219 ADAI, Altregistratur, 10–05 Aufbau Allg. 1938 bis ca. 1945, Tgb. 7074/38 : Praschniker an Schede,
08.11.1938.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625