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Camillo Praschniker (1884–1949) 353
Überführung der Wiener Universität – und der davon betroffenen angeschlossenen For-
schungsinstitute – zu einer Universität des Deutschen Reiches gäbe es für das ÖAI zwei
Möglichkeiten : Entweder auch künftig bei der Universität zu bleiben, dann würde das In-
stitut aber keine Etat-Posten für Ausgrabungen, Publikationen und Reisen erhalten. Oder
das ÖAI würde aus der Universität ausgegliedert und dem AIDR angegliedert werden. Da
im ersten Fall das Institut nicht lebensfähig wäre, sei also mit einem „Anschluss“ an das
deutsche Institut zu rechnen. Praschniker formulierte für diesen Fall auch seine Vorstel-
lungen von den Aufgaben des Instituts : Wir denken uns, dass dem Institut im Rahmen des
deutschen Instituts eine gewisse Selbständigkeit gewahrt bleiben soll, die sich darin auswirkt,
dass es seine Veröffentlichungen auch weiter selbständig herausgeben und im Rahmen seines
Etats über die auszuführenden Untersuchungen und Arbeiten verfügen soll. Wir denken uns
auch, dass dem Institut etwa als „Abteilung Wien“ gewisse Aufgaben wie die Bodenforschung
auf ehemals österreichischem Gebiete, Pflege der Beziehungen zu den südöstlichen Nachbar-
ländern Ungarn, Jugoslavien, Bulgarien, Albanien zugewiesen und vornehmlich vorbehalten
werden. Bei einen kurz darauf folgenden Besuch in Berlin im November 1938 kamen
Praschniker und Egger gemeinsam mit Schede jedoch überein, das Wiener Institut bei
der Universität zu belassen und es fallweise durch das AIDR zu fördern. Da dies aber zu
Etatschwierigkeiten geführt hätte, wie Schede später an Ernst Sprockhoff220, den Direktor
der RGK, schrieb, sei Ministerialrat Frey selbst in Wien gewesen und mit der Entschei-
dung nach Berlin zurückgekommen, Wien müsse als Zweigstelle angegliedert werden221.
Um Sprockhoffs Befürchtungen wegen einer Einschränkung der Kompetenzen der RGK
zu zerstreuen, bezeichnete Schede Praschniker als reinen und hochklassischen Archäologen ;
Egger habe ihm erklärt, daß er mit Bodenfunden ohne gleichzeitiges literarisches Quellenma-
terial wenig anzufangen wisse. Schede meinte gegenüber Sprockhoff, dass sich in der Arbeit
auf dem Balkan die vorgeschichtliche Tätigkeit der Römisch-Germanischen Kommission
(= RGK) von der römerzeitlichen der Wiener Zweigstelle klar werde scheiden lassen.
Die endgültige Entscheidung für die Übernahme durch das AIDR ist also wohl im
November oder Dezember 1938 gefallen. Am 1. Dezember 1938 wurde Praschniker zum
Mitglied der Zentraldirektion des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches er-
nannt222. Schedes diesbezügliche Mitteilung bestätigte er am 21. Dezember und fügte
hinzu223 : Und wie immer sich die Zukunft unseres Wiener Institutes gestalten wird, ob es
220 Ernst Sprockhoff (1892–1967) war von 1935–1945 Leiter der RGK. Siehe Siegmar von SchnurBein, Abriß
der Entwicklung der Römisch-Germanischen Kommission unter den einzelnen Direktoren von 1911 bis
2002, in : 100 Jahre Römisch-Germanische Kommission, Bericht der Römisch-Germanischen Kommission
82 (2001) 137–289, hier 205–227.
221 ADAI, Altregistratur, 10-92 Wien, Tgb. 7733/39 B : Schede an Sprockhoff, 27.01.1939.
222 AÖAI, Personalakten, Zl. 377/39 :E : Mitteilung REM (WO 2497/a) an Praschniker, 01.12.1938.
223 Ebd. Personalakten 1938, Zl. 817/38 :E : Schede schrieb am 10.12.1938, er habe soeben vom REM die
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625