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Camillo Praschniker (1884–1949) 355
Reich spielen sollte und wir uns entschlossen, für den Einbau unseres alten Instituts in den
Rahmen des Archaeologischen Instituts des Deutschen Reiches einzutreten, was dann 1939
tatsächlich durchgeführt wurde, ein unvermindertes Erbe als Mitgift in die neue Verbin-
dung einbringen können229.
1945, nach dem Ende des Dritten Reiches, schrieb Praschniker an das Staatsamt für
Inneres, er habe sich nach Kräften gegen die Eingliederung des österreichischen Instituts
in ein Reichsinstitut gewehrt230. Auch 1948, als das ÖAI seine frühere Stellung als Teil
der Universität wieder erhalten hatte und sein 50-jähriges Bestehen feierte, wurde dieser
„Anschluss“ 1938/39 als Kampf um die bisherige Form dargestellt231 : „Und dann kann
das Jahr 1938. Wir kämpften vergebens um ein Weiterbestehen des Instituts in der bishe-
rigen Form. Es wurde schließlich als Zweigstelle Wien dem Deutschen archäologischen
Institut einverleibt. Es wäre ungerecht, nicht hervorzuheben, daß die wissenschaftliche
Selbständigkeit unseres Instituts dank dem verständnisvollen Entgegenkommen des Prä-
sidenten des deutschen Instituts, Prof. M. Schede, mit dem uns eine langjährige Freund-
schaft verbunden hatte, nicht im geringsten beeinträchtigt wurde. Er hat im Gegenteil
wiederholt unsere Interessen gegen Übergriffe von Parteistellen der NSDAP energisch
verteidigt. Nachdem zunächst, namentlich in Carnuntum, mit großen Mitteln gearbeitet
worden war, kam infolge des Krieges bald alles zum Stillstand.“
6.2 Carnuntum
In der Zwischenkriegszeit hatte es eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Ar-
chäologischen Institut und dem Verein Carnuntum gegeben. Der Verein wurde 1939
aufgelöst232 und durch das Land Niederösterreich übernommen, ebenso das Museum
Carnuntinum mit seinem Inventar. Eine der Hauptaufgaben der Zweigstellenleiter
Praschniker und Egger war also die Ausgrabung Carnuntum, ein Projekt, das von der
Niederösterreichischen Landeshauptmannschaft bereits im November 1938 initiiert
worden war, von Seiten des Archäologischen Instituts aber mitgetragen wurde233. Diese
229 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 125. Praschniker bezog sich hier mit dem unverminderten Erbe auf die –
trotz stark eingeschränkter Mittel – Ausgrabungen und Publikationen des ÖAI in der Zwischenkriegszeit.
230 Ebd. fol. 152–153.
231 Camillo Praschniker (†), Bericht über die Feier anläßlich des fünfzigjährigen Bestandes des österreichi-
schen archäologischen Instituts, in : ÖJh 38 (1950) Beibl. 1–18, hier 12.
232 Nachrichtenblatt des Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände Nr. 30 vom 13.2.1939 ;
auf S. 667 : Bekanntgabe der Auflösung des Vereines Carnuntum am 10.2.1939 (AÖAI, Carnuntum, K. 1939).
233 Für eine ausführliche Beschreibung der Vorgänge rund um die „Führergrabung“ Carnuntum sei auf die bis-
her erschienene Literatur verwiesen : Ernst Rudolf, Pompeji vor den Toren Wiens. Die „Führergrabung“
von Carnuntum 1938/40, in : Hephaistos 13 (1995) 203–220 ; Manfred Kandler, Carnuntum, in : 100
Jahre ÖAI (wie Anm. 3) 140–148 ; Manfred Kandler, Unter fremdem Namen. Die Jahre 1938–1945 in :
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625