Seite - 359 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 359 -
Text der Seite - 359 -
Camillo Praschniker (1884–1949) 359
seinem Lebenslauf vom 10. Juli 1940 an : Ich bin deutscher Staatsbürger, Parteigenosse seit
1. Juli 1936, arisch, evangelisch A.B. und ledig. Seidl war 1940 nach der Einberufung des
Kustos Karl Kutschera260 im Museum Carnuntinum tätig261. Einen kurzen Bericht über
seine Arbeit legte er am 2. September 1940 vor262. Gemeinsam mit Richard Pittioni263
ist er im Vorspann des Propagandafilms „Carnuntum, ein Pompeji in Niederdonau“ als
wissenschaftlicher Berater genannt264. Seit 2. Dezember 1940 war auch Seidl zum Hee-
resdienst einberufen. Die Dissertation von Walter Görlich „Der Hermaphrodit von Viru-
num“ wurde in kurzer Zeit während eines Wehrurlaubs fertig gestellt, weshalb ihm laut
Praschnikers Gutachten wenig Zeit blieb, die einzelnen Probleme ruhig durchzudenken265.
Praschniker beurteilte die Arbeit dennoch positiv (gut) und bezog sich auch in seiner
Publikation der Skulpturen aus dem Bäderbezirk von Virunum auf Görlichs ungedruckte
Dissertation266. Görlich hatte in den 1930er Jahren zusammen mit Hans Dolenz unter
der Leitung von Egger in Kärnten gearbeitet ; nach dem Krieg gehörte er zu den Mitarbei-
tern der Magdalensberg-Grabung267.
Einige der von Praschniker betreuten Dissertationen, die in der Zeit von 1938 bis 1945
entstanden sind, zeigen sehr wohl inhaltliche oder zumindest verbale Zugeständnisse an
die nationalsozialistische Weltanschauung und Terminologie. Die Arbeit von Helene Stei-
ger „Das griechische Profil“ lag ganz im Sinne der NS-Tendenz, die nordische Abkunft des
alten Griechentums zu beweisen, rassenkundliche Untersuchungen anhand von Skeletten
und anhand der bildenden Kunst durchzuführen268. Praschniker beurteilte die Arbeit mit
260 Zu Kutschera (1905–1952) siehe Rudolf, Pompeji (wie Anm. 233) 203 mit Anm. 42.
261 Siehe Richard Pittioni, Das nö. Landesmuseum 1938–1945. Aufbau, Leistungen und Entwicklung (Wien,
März 1946) (ungedr. Manuskript nö. Landesbibliothek ; Kopie in der Fachbibliothek des Instituts für Ur-
und Frühgeschichte der Univ. Wien) 27.
262 NÖLA, RStH ND [Reichsstatthalter Niederdonau] IId-1, NÖ Landessammlungen, K. 17, 1940/41. Für den
Hinweis auf diese Dokumente danke ich Ina Friedmann (Wien).
263 Zu Pittioni : Ina Friedmann, Der Prähistoriker Richard Pittioni (1906–1985) zwischen 1938 und 1945
unter Einbeziehung der Jahre des Austrofaschismus und der beginnenden Zweiten Republik, in : Archaeo-
logia Austriaca 95 (2011) 7–99. Pittioni wurde 1938 als Nachfolger des zur Emigration gezwungenen Al-
phons Barb zum Leiter des Museums in Eisenstadt bestellt, ab 1940 mit der Gesamtleitung des Museums des
Reichsgaues Niederdonau betraut, zu dem auch das Museum in Bad Deutsch Altenburg/Carnuntum gehörte.
264 Österreichisches Filmarchiv, Nr. 609/1.
265 UAW, phil. RA 15.537 : Walter Görlich, Beurteilung der Dissertation durch Praschniker, 29.03.1941.
266 Praschniker, Kenner, Bäderbezirk (wie Anm. 187) 71f.
267 Siehe Hans Dolenz, Walter Görlich †, in : Carinthia I 160 (1970) 663f. (mit Literaturverzeichnis von
G. Moro). Görlich war schon früh Sympathisant der Nationalsozialisten und Mitglied der NSDAP. Siehe
ÖStA, AdR, Zivilakten NS-Zeit, BMI, Gauakt Görlich Walter 133.615).
268 Besonders diese Dissertation erfordert also eine Ergänzung der Feststellung in : Wlach, Klassische Archäo-
logie (wie Anm. 183) 363, dass die Themen der Wiener archäologischen Dissertationen eine Orientierung an
„völkischen“ Gesichtspunkten nicht erkennen lassen, insoferne, als zwar nicht die Titel, wohl aber der Inhalt
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625