Seite - 363 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Camillo Praschniker (1884–1949) 363
betonte aber, dass er keine zeitlichen Zusagen machen könne284 : Und weiters muss ich
gestehen, dass die Zeitverhältnisse, die ständige Nervenanspannung usw. nicht nur meine leib-
liche, sondern auch meine geistige Konstitution anzugreifen beginnen, insoferne es mir immer
schwerer fällt, mich zu schöpferischer Arbeit zu konzentrieren. Dieser Briefwechsel fällt in die
Zeit, als Praschniker wegen seiner jüdischen Vorfahren besonders unter Druck war und
seine Stellung als Universitätsprofessor und Zweigstellenleiter in Gefahr war285.
Die Korrespondenz mit Schede bezieht sich naturgemäß vor allem auf Angelegenhei-
ten der Zweigstelle und der Grabung Carnuntum. Die Beziehung Praschnikers zu Schede
scheint gut gewesen zu sein. Nicht überliefert ist, wie Praschniker auf den Tod Schedes
1947 reagierte und wann er davon erfuhr. Nach Kriegsende 1945 dürften vorerst haupt-
sächlich Gerüchte über das Schicksal von Kollegen im Umlauf gewesen sein. Otto Walter
schrieb im Februar 1949 an Praschniker vom Tod Schedes mit allerdings nicht ganz rich-
tigen Angaben286 : Er habe erfahren, dass Schede nach vierjähriger Haft im KZ gestorben
sei. Schede war nach Kriegsende in sowjetische Gefangenschaft geraten und starb 1947 in
einem sowjetischen Lager, also bereits zwei Jahre vor dieser Mitteilung.
Die Korrespondenz mit Gerhart Rodenwaldt287 bezieht sich auf Austausch zu verschie-
denen wissenschaftlichen Arbeiten, auf den sog. Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften288
und die Angelegenheit „Edmund Bulanda“289, des gemeinsamen Kollegen aus der Stipen-
diatenzeit. Rodenwaldt schrieb dazu am 3. September 1940 an Praschniker290 : Von einer
mir unbekannten Dame in Südostpreussen erhielt ich einen Brief, der das Schicksal von Bu-
landa betrifft. Er und seine Tochter sollen nach dem fernen Osten deportiert werden. Da er
in Krakau geboren ist, könnte er von dem Generalgouvernement rekrutiert werden. Ich habe
mit Bulanda seit seiner Zeit als oesterreichischer Stipendiat in Beziehungen gestanden. Er hat
284 AÖAI, Akten 1942/43, Tgb. 222/42_40 : Neugebauer an Praschniker 21.7.1942 ; Antwort Praschniker am
05.08.1942.
285 Siehe unten Kap. 6.6.
286 AÖAI, Akten 1949, Zl. 362/49 :H : Walter an Praschniker, Innsbruck, 20.02.49.
287 Rodenwaldt war von 1922–1932 Präsident des AIDR, von 1932–1945 Ordinarius für Klassische Archäologie
an der Universität Berlin. Siehe Sünderhauf, Schaltwerk (wie Anm. 234) ; Esther Sophia Sünderhauf,
Gerhart Rodenwaldt (1886–1945), in : Lebensbilder. Klassische Archäologen, hg. Brands, MaischBerger
(wie Anm. 5) 119–127 ; Esther Sophia Sünderhauf, Rodenwaldt, Gerhart, in : DNP Suppl. 6, 1072–1075.
288 Der „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ war ein breit angelegtes, der wissenschaftlichen Kriegspropa-
ganda dienendes NS-Projekt, das von Paul Ritterbusch, dem Rektor der Universität Kiel, koordiniert wurde.
Frank-Rutger Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“
(1940–1945) (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 12, 3. erw. Aufl. Heidelberg 2007).
289 Zu Bulanda (1882–1951) siehe oben Kap. 3. Bulanda war seit 1916 Ordinarius für Archäologie an der Uni-
versität Lemberg, seit 1938 Rektor der Jagiellonen-Universität Krakau. Während der deutschen Besatzung
übte er diese Funktion illegal aus. Siehe auch Sünderhauf, Schaltwerk (wie Anm. 234) 309.
290 AÖAI, Akten 1940/41, Tgb. 209/40_16-01 : Rodenwaldt an Praschniker (handschriftlich) 03.09.1940.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625