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richtungen, die sich intensiv um die Erhaltung und Auswertung der Funde kümmerten.
Unabhängig vom erwähnten Musealverein entstand 1895 das Pettauer Stadtmuseum,
dessen ersten Räumlichkeiten sich gerade im Gebäude des von Saria besuchten Pettauer
Gymnasiums befanden19.
Das Leben in Pettau wurde am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts neben
der regen archäologischen Tätigkeit auch durch das dynamische politische Geschehen
geprägt, das ein Abbild der komplizierten innenpolitischen Situation in der gesamten
Habsburgermonarchie darstellte. Die politische Situation in der Untersteiermark ver-
schärfte sich im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts durch die nationalen Gegensätze
und das Verhältnis zwischen der deutschsprachigen Bevölkerungsminderheit, die aller-
dings in Cilli (Celje), Marburg (Maribor) und Pettau (Ptuj) die Majorität bildete, und
der mehrheitlich slowenischen Bevölkerung, die zum größten Teil auf dem Land lebte.
Bei der Volkszählung von 1900 gaben mehr als 85% der Pettauer Bevölkerung Deutsch
als Umgangssprache an, während in der Umgebung fast ausschließlich Slowenisch ge-
sprochen wurde. Auf beiden Seiten radikalisierten sich die Auffassungen bei der Frage der
Einführung slowenischer Parallelklassen am deutschen Gymnasium in Cilli, die im Juni
1895 den Anlass für den Sturz der Regierung des Fürsten Alfred zu Windischgrätz bildete,
sowie bei der Frage der Badeni’schen Sprachverordnungen für die böhmischen Länder im
Sommer 1897, welche die untersteirischen Deutschen aus Angst vor eventuellen ähnli-
chen Lösungen in ihrem Land fast durchwegs ablehnten20.
Gleichzeitig erlebte Pettau eine seiner letzten Blütezeiten. Unter der Leitung des stark
deutschorientierten Bürgermeisters Josef Ornig, der das Amt 1894 übernahm und es bis
zum Ende der Donaumonarchie 1918 ausübte, machte Pettau sowohl wirtschaftliche als
auch kulturelle Fortschritte21. Im Jahr 1897 wurden der Stadtpark hergerichtet und das
Theater renoviert, im Jahre 1900 wurden das Gaswerk und das neue Gebäude des Ober-
gymnasiums errichtet. In der Umgebung entstanden neue Industriebetriebe, 1905 wurde
das städtische Freibad erweitert, zwei Jahre später bekam die Stadt das neue Rathaus. All
Horvat, Andreja Dolenc Vičič, Arheološka najdišča Ptuja : Rabelčja vas / Archaeological sites of Ptuj :
Rabelčja vas (Opera Instituti Archaeologici Sloveniae 20, Ljubljana 2010).
19 Marija Hernja Masten, Korenine arhiva segajo v Muzejsko društvo Ptuj [Die Wurzeln des Archivs reichen
zurück in den Musealverein Pettau], in : Kronika 40 (1992) 138–140.
20 Sowohl die deutsche als auch die slowenische Bibliographie über die komplizierten und vielschichtigen
deutsch-slowenischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg ist umfangreich. Vgl. Janez Cvirn, Trdnjavski
trikotnik. Politična orientacija Nemcev na Spodnjem Štajerskem (1861–1914) [Das Festungsdreieck. Die poli-
tische Orientierung der Deutschen in der Untersteiermark (1861–1914] (Maribor 1997). Martin Moll, Kein
Burgfrieden. Der deutsch-slowenische Nationalitätenkonflikt in der Steiermark 1900-1918 (Innsbruck, Wien,
Bozen 2007).
21 Manfred Straka, Art. „Ornig Josef“, in : ÖBL 7 (1977) 248 ; Franjo Baš, Art. „Ornig Josef“ in : SBL 6
(Ljubljana 1935) 230–231.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625