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Balduin Saria (1893–1974) 393
habe die Vorlesungen wieder aufgenommen. Der Bericht über das Treffen mit Sergejevski
in Sarajevo erschien ihm wichtiger als die Erörterung der politischen Lage in dem von
italienischen Truppen besetzten Laibach. Schon damals war sich Saria bewusst, dass das
Schicksal des Laibacher Universitätsstudiums wegen der geänderten Umstände ziemlich
unsicher war. Er äußerte seine Zweifel sehr deutlich : Ob aber unsere Universität auf die
Dauer bestehen wird können, ist mehr als fraglich. Fehlt ihr doch das bisherige Zuzuggebiet.
Die neue Provinz Lubiana hat kaum viel mehr als 300.000 Einwohner, die Reichsgrenze ver-
läuft an der Stadtgrenze ! Er war sich darüber im Klaren, dass er seine wissenschaftlichen
Möglichkeiten anderswo suchen sollte : Unter solchen Umständen bin ich gezwungen, mich
im Reiche umzusehen. Ich hoffe, dass es mir gelingt, in Graz unterzukommen57.
Der Lösung der neu entstandenen verwickelten Lage ging Saria offenbar mit großem
Eifer an. Mitte Juli 1941 bestätigte ihm Dr. Otto Maull Dekan der Philosophischen
Fakultät an der Universität Graz, das Eintreffen seiner Bewerbung mit Lebenslauf und
Bibliographie58. Darüber informierte Saria einige Tage später Valjavec und bat ihn um
Vermittlung bei den zuständigen Behörden in Berlin : Die Universität Graz hat mich nun-
mehr als Ordinarius für römische Altertumskunde und Epigraphik berufen. Die Angelegenheit
liegt gegenwärtig beim Reichsministerium. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gelegentlich
in Berlin nachfragen, wie die Sache steht. Der Akt liegt, wie man mir mitgeteilt hat, beim
Referenten [Heinrich] Harmjantz. Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht, möchte ich Sie
um diese Gefälligkeit bitten59. Sarias Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle wurden auch
durch das Abkommen zwischen Deutschland und Italien von Ende August 1941 angesto-
ßen, das – ähnlich wie vorher in Südtirol – der deutschen Bevölkerung in der italienischen
Provincia di Lubiana die Option für eine Umsiedlung in das Deutsche Reich ermöglichte.
Damit war Sarias Ausreise besiegelt, obwohl seine Entscheidung offenbar bereits zuvor
gereift war. In den folgenden Monaten war er hin- und hergerissen zwischen Laibach
und Pettau. Schon im Sommer 1941 engagierte er sich im Pettauer Museum. Ich bin
gegenwärtig mit der Neuordnung des Pettauer Museums und anderen denkmalpflegerischen
Arbeiten dort beschäftigt60. Formal gehörte er weiterhin dem Lehrkörper der Laibacher
Universität an, hielt jedoch keine Vorlesungen61. Er konzentrierte alle seine Gedanken
der in Kriegszeiten logistisch sehr mühevollen Umsiedlung seiner Familie sowie der Lai-
bacher Deutschen. Die Laibacher deutsche Volksgruppe siedelt im Januar um, ich habe noch
57 Ebd. 203 ; Valjavec an Saria, 04.06.1941.
58 ZAP 6 (wie Anm. 10) K. 30 ; Maull an Saria, 22.07.1941.
59 Nećak, Slovenski izobraženci (wie Anm. 50) 203 ; Saria an Valjavec, 27.07.1941.
60 Ebd. 203 ; Saria an Valjavec, 27.07.1941.
61 In der zweiten Jahreshälfte 1941 wandte er sich mehrmals an die Universitätsleitung mit der Bitte um Sonder-
urlaube, die immer genehmigt wurde. ZAMU IV-57/843 (wie Anm. 34).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625