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Balduin Saria (1893–1974) 395
ten war71. Doch scheint sein Beitritt einen mehr oder weniger formalen Charakter gehabt
zu haben. Die unpolitische Haltung ist auch seinen aus der Kriegszeit stammenden Texten
zu entnehmen. Eine Reihe von populär verfassten Aufsätzen historischen Inhalts, die Saria
auf Einladung der Marburger Zeitung fast bis zum Kriegsende schrieb72, war inhaltlich
sowohl politisch als auch ideologisch ausgesprochen neutral. Obwohl er in seinem „Füh-
rer durch die Stadt Pettau“ seine Begeisterung über die „Befreiung“ seiner Heimatstadt
bekundete73, wahrte sein Diskurs einen nüchternen wissenschaftlichen Ton und hielt sich
fern vom zeitgenössischen „Rasse-„-Jargon. Aus diesem Grunde ist sein Eintritt in die NS-
DAP umso schwerer zu verstehen. Ende Januar 1945, als Deutschlands Niederlage völlig
offensichtlich war, erhielt er in einem Festakt gemeinsam mit seiner Nichte Herta, der
Tochter seines Bruders Otmar, die einen Monat zuvor ihren 18. Geburtstag gefeiert hatte,
seine Mitgliedskarte74. Sein später Beitritt zur Partei lässt eher auf fehlenden Sinn für po-
litische Realität als auf politische Überzeugung oder etwaigen Opportunismus schließen.
Die Folgen des NSDAP-Beitritts waren drastisch : Wegen Mitgliedschaft wurde Saria nach
Kriegsende als Professor zwangspensioniert, was er schwer ertrug. Als Pirchegger ihm fi-
nanzielle Hilfe anbot, sprach Saria ihm seinen herzlichen Dank aus : Glücklicherweise ist
es aber einstweilen nicht so weit, dass ich einer finanziellen Hilfe bedürfte, zumal mir auch
meine Geschwister beistehen würden. Seine Sorgen konzentrierte Saria auf die Fortsetzung
seiner Karriere : Ich hoffe immer noch, dass es mit der Zeit eine Lösung geben wird, die mich
nicht ganz aus der wissenschaftlichen Bahn wirft. Man muss eben durchhalten und sich so weit
als möglich einschränken75.
Weitreichender als die Behörden in Österreich gingen die neuen kommunistischen
Machthaber in Jugoslawien vor. In der ausgesprochen antideutschen Atmosphäre nach
Kriegsende wurden die in der Kriegszeit vollzogenen Handlungen von Angehörigen
der deutschen Minderheit sehr rigoros und parteilich bewertet. Saria warf man seinen
Kontakt mit Dr. Hermann Görger, dem Leiter der Pettauer Gestapo, vor76 sowie dass
er deutsche Uniform getragen und Archivmaterial aus dem Laibacher Nationalmuseum
71 Muzej narodne osvoboditve Maribor [Museum der nationalen Befreiung Maribor], Vpisna knjiga članov
Štajerske domovinske zveze [Eintragungsbuch der Mitglieder des Steierischen Heimatbundes].
72 Für die Marburger Zeitung, die als amtliches Organ des Steirischen Heimatbundes galt, schrieb Saria von Juni
1941 bis August 1944 insgesamt 23 Artikel. Vgl. Felix v. Schroeder, Verzeichnis der Arbeiten von Balduin
Saria, in : FS für Balduin Saria zum 70. Geburtstag (Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission
11, München 1964) 493–513.
73 Balduin Saria, Pettau. Ein Führer durch die Stadt und deren Geschichte (Pettau 21943) 20.
74 Upravna enota Ptuj, Denacionalizacijski spis [Denationalisierungsakte] 201–65/2000, Schreiben von Muzej
narodne osvoboditve Maribor.
75 StLA, NL Hans Pirchegger, K. 16, H. 731 ; Saria an Pirchegger, 14.01.1947.
76 Arhiv Republike Slovenije [Archiv der Republik Slowenien] (=ARS), AS 220 Komisija za ugotavljanje zločinov
okupatorjev in njihovih pomagačev, šk. 55, št. 2885.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625