Seite - 411 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941) 411
Unterrichtsministerium in Zeiten der Hyperinflation nicht nur die Mittel zum Aufbau die-
ses Seminars, sondern zugleich Gelder für die Bestallung einer wissenschaftlichen Hilfskraft
gewährt worden waren,32 besetzte er diese Position zum 1. April 1922 mit Patzelt, die ab
Januar 1924 in den Rang einer systematisierte[n] a.o. Assistentin aufrückte33. Es ist anzuneh-
men, dass es nicht allein die Leistungen seiner ehemaligen Studentin gewesen sind, die Al-
fons Dopsch zu dieser Entscheidung bewogen, sondern daneben dessen gute Bekanntschaft
mit Julius Patzelt und dessen Frau ausschlaggebend waren34.
Universitätskarriere
Nach ihrem Stellenantritt konnte Patzelt in rascher Folge zwei Bücher publizieren, die
sich zum einen mit der „Karolingischen Renaissance“35, zum anderen mit „Entstehung
und Charakter der Weistümer in Österreich“36 beschäftigen. Auf dieser Grundlage stellte
sie am 6. Juni 1924 den Antrag auf Erteilung der Venia legendi. In der Fakultätssitzung
32 Buchner, Dopsch (wie Anm. 1) 162.
33 PA Patzelt (wie Anm. 4) fol. 206.
34 Beide Männer waren nicht nur nahezu gleichaltrig, sondern bewegten sich im Umfeld der Konsularakademie
auch in gleichen Kreisen. Von einer intimen Beziehung zwischen Patzelt und Dopsch, wie sie Buchner, Dopsch
(wie Anm. 1) 165, ohne Belege in Betracht zieht, ist zu diesem Zeitpunkt wohl nicht auszugehen. Wenngleich
beide im Laufe ihrer engen Zusammenarbeit eine große Vertrautheit entwickelt haben werden, ist eine solche
auch für die spätere Zeit eher unwahrscheinlich und wäre zudem bei Bekanntwerden gesellschaftlich kompro-
mittierend gewesen. Dopsch konnte nicht nur „durch seine Ehe mit Marie von Ficker, Tochter des renommier-
ten Innsbrucker Historikers Julius von Ficker, seine beruflichen Netzwerke auch privat einschlägig ergänz[en]“
(ebd. 160), sondern seine Schwägerin Crescentia war zudem zeitweilig Vorsitzende des Reichsverbands Deut-
scher Frauen Österreich, dessen Begründerin Katharina Patzelt, Mutter Erna Patzelts, war. Eine Beziehung
beider hätte allein schon aufgrund dieser genannten gesellschaftlichen Verschränkungen zur unwiderruflichen
Diskreditierung geführt. – Zu Crescentia (Zenzi) von Ficker verheiratete Sild, vgl. Richard Hörmann, Monika
Seekircher, Ferdinand Ebner, Mühlauer Tagebuch 23.07.–28.08.1920. Edition und Kommentar (Wien 2002)
142 und 160, sowie Otto Brunner, Ficker, Johann Kaspar Julius von, in : NDB 5 (1961) 133 [Onlinefassung] ;
URL : http://www.deutsche-biographie.de/ppn118532863.html (letzter Zugriff 31.12.2014). – Ferdinand Ebner
zeichnete im Übrigen ein wenig schmeichelhaftes Bild von Dopsch, den er als „Seine Magnifizenz“ bzw. als lang-
weiligen Universitätsprofessor (43 u.ö.), Marie Dopsch aber als angenehme Person beschreibt, die er allerdings
wegen ihres Mannes bedauert (15 und 43).
35 Erna Patzelt, Die karolingische Renaissance (Wien 1924, ND Graz 1965). Wie dem Vorwort zu entnehmen
ist, konnte sie die Arbeiten dazu schon im Sommer 1923 abschließen, was darauf schließen lässt, dass sie schon
vor ihrer Anstellung an diesem Thema gearbeitet hat. Verzögerungen im Druck ließen die Arbeit aber erst
knapp ein Jahr später erscheinen, PA Patzelt (wie Anm. 4) fol. 183r.
36 Erna Patzelt, Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich : Beiträge zur Geschichte der Grund-
herrschaft, Urbarialreform und Bauernschutzgesetzgebung vor Maria Theresia (Budapest 1924, ND Aalen
1979). Dieses Werk konnte sie im Frühjahr 1924 abschließen (ebd. 2). Des Weiteren veröffentlichte sie in
dieser Zeit : Die ältesten Statthalterschaften in Österreich, in : MIÖG 40 (1925) 134–136, sowie : Das älteste
Urbar der Landesfürsten von Steiermark, in : VSWG 19 (1926) 430–433.
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625