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442 Reinhard Blänkner
bis 1966 als Nachfolger des emeritierten Hermann Aubin den Lehrstuhl für Mittlere und
Neuere Geschichte innehatte. An der Hamburger Universität machte Brunner rasch eine
bemerkenswerte zweite Karriere, die ihn 1957/58 in das Amt des Präsidenten der Joachim
Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften und im Jahr 1959/60 in das des Rektors der
Universität führte. Anlässlich seines 65. Geburtstags erschien eine ihm gewidmete Fest-
schrift11 und im selben Jahr wurde ihm auf Initiative von Helmut Schelsky die Ehrendok-
torwürde der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster ver-
liehen. Die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg verlieh ihm auf Initiative von
Ernst-Wolfgang Böckenförde zu seinem 70. Geburtstag eine weitere Ehrendoktorwürde.
Brunner war Mitglied zahlreicher Akademien, u. a. seit 1953 der Historischen Kommis-
sion der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, seit 1955 der Akademie der Wissen-
schaften und Literatur in Mainz sowie Mitherausgeber zahlreicher Fachzeitschriften (u. a.
der VSWG). Nach seiner Emeritierung hielt er kontinuierlich jedes Wintersemester eine
Lehrveranstaltung ab, bis er sich 1976 aus dem aktiven Lehrbetrieb zurückzog. Brunner
starb 1982 in Hamburg.
Diese zweigliedrige Unterscheidung seiner akademischen Laufbahn erweist sich aller-
dings bereits für Brunners Wiener Zeit als zu grobschlächtig. Von der Frühzeit, die von
den Studienjahren bis in die frühen 1930er Jahre reicht, ist die nachfolgende völkische
und schließlich nationalsozialistische Periode bis 1945 abzuheben, der sich nach der Pen-
sionierung aufgrund seiner NSDAP–Mitgliedschaft die neunjährige erzwungene Phase
der Privatgelehrtenexistenz anschloss, die ganz im Zeichen der Abkehr vom völkischen
Germanozentrismus und des totalitären Volksgemeinschaftsdenkens hin zum alteuro-
päischen Konservatismus stand. In den nachfolgenden Ausführungen, die sich an den
konzeptionellen Vorgaben des vorliegenden Bandes orientieren, wird nur von Brunners
Werk bis 1945 zu sprechen sein, und auch dies nur im vorläufigen und engeren Sinn12.
Eine umfassende Würdigung, die Brunners Denkwege und seine Schriften in den breite-
ren Kontext der wissenschaftlichen und politisch-intellektuellen Strömungen seiner Zeit
stellt, muss einer größeren biografischen Darstellung seines Gesamtwerks vorbehalten
bleiben13.
11 Alteuropa und die moderne Gesellschaft. FS für Otto Brunner, hg. v. Historischen Seminar der Universität
Hamburg (Göttingen 1963).
12 Vor allem auf Brunners Zeit als Direktor des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung zwischen
1940 und 1945 ist nach den ausführlichen Darlegungen von Manfred Stoy, Das Österreichische Institut
für Geschichtsforschung 1929–1945 (MIÖG Erg.-Bd. 50, München/Wien 2007) 261–286, hier nicht näher
einzugehen.
13 Siehe hierzu vorbereitend : Blänkner, „Staatsbildung“ (wie Anm. 10) ; Ders., Volksgeschichte (wie Anm.
10).
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625