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452 Reinhard Blänkner
oder der von Rudolf Pechel herausgegebenen „Deutschen Rundschau“55, so wird man ihn
der politischen Strömung des Jungkonservatismus bzw. der Konservativen Revolution zuzu-
rechnen haben.
Deren Ort im Gefüge der politischen Strömungen und Parteien änderte sich gravie-
rend durch den völkerrechtlichen Verzicht Österreichs auf den Anschluss ans Deutsche
Reich im Vertrag von Lausanne 1932, die Machtergreifung des Nationalsozialismus und
dessen Formierung zum hegemonialen Diskurs in Deutschland, insbesondere nach dem
„Röhm-Putsch“ 1934, sowie die Etablierung des autoritären Ständestaats in Österreich
und die gewaltsame Ausschaltung der Sozialdemokratie im Zuge des Bürgerkriegs 193456.
Wurde die Anschlussbewegung in Österreich bis dahin von einer großen Mehrheit der Be-
völkerung und der verschiedenen politischen Parteien getragen, so kanalisierte sich diese
nach 1934 zunehmend nach außen auf den Nationalsozialismus. Hinzu kam im selben
Jahr die organisatorische Bündelung der fünf volksdeutschen Forschungsgemeinschaften
(Alpenländische, Südostdeutsche, Nord-und Ostdeutsche, Westdeutsche sowie Übersee-
ische Forschungsgemeinschaft) durch die Einrichtung einer gemeinsamen „Mittelstelle“
in Berlin, die die Arbeit der einzelnen Forschungsgemeinschaften koordinierte, darüber
hinaus Kontakte zur NSDAP und zu den NS-Ministerien für Erziehung und Inneres
sowie dem Auswärtigen Amt herstellte und somit seit Mitte der 1930er Jahre einen poli-
tischen Institutionalisierungsschub der „Volksgeschichte“ auslöste57.
Vor diesem Hintergrund und der Einbindung in das politische Milieu der „Wiener
Schule der Geschichtswissenschaft“58, deren Repräsentanten Srbik, Hirsch und Bauer vor
allem aufgrund des Versuchs des autoritären Ständestaats, die Idee der „gesamtdeutschen
Geschichte“ durch einen eigenständigen Österreich-Patriotismus zu ersetzen, die Nähe
zum Nationalsozialismus suchten, vollzog sich auch Brunners schrittweise Annäherung
55 Otto Brunner, Die Türken vor Wien. Zur 250-jährigen Wiederkehr der zweiten Türkenbelagerung 1683, in :
Deutsche Rundschau 59 (1933) 163–168. Zur Deutschen Rundschau siehe Volker MauersBerger, Rudolf
Pechel und die „Deutsche Rundschau“ 1919–1933. Eine Studie zur konservativ-revolutionären Publizistik in
der Weimarer Republik (1918–1933) (Bremen 1971).
56 Siehe hierzu : Österreich 1933–1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime,
hg. v. Ilse Reiter-Zatloukal, Christian Rothländer, Pia SchölnBerger (Wien/Köln/Weimar 2012) ;
Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime 1933–1938. Vermessung eines Forschungsfeldes, hg. v. Florian Wennin-
ger, Lucile Dreidemy (Wien/Köln/Weimar 2013).
57 Siehe hierzu OBerkrome, Volksgeschichte (wie Anm. 7) 171–180 ; Haar, Historiker (wie Anm. 7) 249–
276 ; FahlBusch, Wissenschaft (wie Anm. 8) 79–106 und 130–133 .
58 Siehe hierzu Gernot Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der
Geschichtswissenschaft und der Nationalsozialismus, in : Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien
1938–1945, hg. v. Dems., Siegfried Mattl, Sebastian Meissl, Edith Saurer, Karl Stuhlpfarrer (Wien
1989) 38–76 ; Ders., Die „Wiener Schule der Geschichtswissenschaft“ im Nationalsozialismus : „Harmonie
kämpfender und Rankescher erkennender Wissenschaft“ ?, in : Geisteswissenschaften (wie Anm. 52) 397–426.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625