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454 Reinhard Blänkner
seinen dort gehaltenen, einem mediävistischen Thema gewidmeten Vortrag mit der For-
derung nach einer „Revision der Grundbegriffe“ in den Geistes- und Sozialwissenschaften
im nationalsozialistischen Sinn abschloss66. Paris oder Erfurt ? In der Perspektive dieser
Kontrastierung und Brunners – aus karrierepolitischen Erwägungen erklärbarer – Favo-
risierung der Teilnahme am Erfurter Historikertag erscheint das Jahr 1937 gleichsam als
sein Entscheidungsjahr für den Nationalsozialismus, ein Jahr vor dem „Anschluss“ Öster-
reichs ans Deutsche Reich, den Brunner dann emphatisch als das Werk Adolf Hitlers und
der nationalsozialistischen Bewegung begrüßte. Der Führer, so Brunner, hat seine Heimat
Österreich zurück ins Reich geführt67.
In den nachfolgenden Jahren bis zum Ende des Dritten Reiches stand Brunner im
ideologischen Bann des Nationalsozialismus68. Bereits an der vom Amt Rosenberg or-
ganisierten Parteiausstellung „Europas Schicksalskampf im Osten“ auf dem Nürnber-
ger NSDAP-„Reichsparteitag Großdeutschland“ im September 1938 war er beteiligt69,
ebenso an der Parteiausstellung „Deutsche Größe“, die anlässlich der Erinnerung an den
gescheiterten Hitler-Putsch vom 8./9. November 1923 in München 1940 eröffnet und
danach mehrfach und in verschiedenen Städten, u. a. in Prag, Breslau und Brüssel, gezeigt
wurde70. Die Nähe zum Amt Rosenberg wird zudem dokumentiert durch die Platzierung
66 Otto Brunner, Politik und Wirtschaft in den deutschen Territorien des Mittelalters, in : Vergangenheit und
Gegenwart 27 (1937) 404–422, Zitat 422. Zu diesem Erfurter Historikertag, der im Zeichen des Versuchs von
Walter Frank stand, ihn zu einer Demonstration nationalsozialistischer Geschichtswissenschaft zu machen,
siehe Helmut HeiBer, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands (Stutt-
gart 1966) 708–725 ; Peter Schumann, Die deutschen Historikertage von 1893 bis 1937. Die Geschichte
einer fachhistorischen Institution im Spiegel der Presse (Göttingen 1975) 406–434.
67 Otto Brunner, Österreichs Weg zum Großdeutschen Reich, in : DALV 2 (1938) 519–528, hier 528.
68 Siehe hierzu Hans-Henning Kortüm, „Gut durch die Zeiten gekommen“. Otto Brunner und der National-
sozialismus, in : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 66 (2018) 117–160. Der Aufsatz erschien nach Abschluß
des vorliegenden Textes und konnte für eine kritische Diskussion der Kortümschen Thesen nicht mehr berück-
sichtigt werden.
69 Siehe den Katalog : Europa und der Osten. Hg. v. Reichsamtleiter Hans Hagemeyer und Reichsamtsleiter
Dr. Georg LeiBBrandt (München 1939). Ebd. 147–150 befindet sich Brunners anonym verfasster Beitrag :
Die Ostmark – ein Bollwerk Europas. Brunners Autorschaft wird belegt durch den Textvergleich des unter
seinem Namen publizierten Aufsatzes : Die Ostmark Europas, in : Bücherkunde. Organ des Amtes für Schrift-
tumspflege bei dem Beauftragen des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der
NSDAP und der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums 5 (1938) 466–468.
70 Vgl.: Ausstellung Deutsche Größe. Durchgeführt vom Amt Schrifttumspflege, München, 8. November 1940.
Brunner wird auf der unpaginierten letzten Seite des Katalogs unter den wissenschaftlichen Mitarbeitern
genannt. Siehe auch Schönwälder, Historiker und Politik (wie Anm. 7) 234–236. Zur Parteiausstellung
„Deutsche Größe“ siehe auch Helmut Trischler, Elisabeth Vaupel, Stefan L. Wolf, Einleitung : Das
Deutsche Museum in der Zeit des Nationalsozialismus. Konturen einer Bestandsaufnahme, in : Das Deutsche
Museum in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Bestandsaufnahme, hg. v. Elisabeth Taupel, Stefan L.
Wolf (Göttingen 2010) 13–42, insbes. 37f. Zu den NS-Kulturausstellungen siehe Hans-Ulrich Thamer,
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625