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Otto Brunner (1898–1982) 455
seines Aufsatzes „Länder und Herrschaften – die politischen Grundordnungen im mittel-
alterlichen Österreich“, der 1938 in Rosenbergs Zeitschrift „Germanen-Erbe“ erschien71.
Ein unerwarteter Karrieresprung fiel Brunner nach dem Tod Hirschs 1940 mit der Er-
nennung zum Direktor des IÖG als dessen Nachfolger72 sowie mit der bereits im voran-
gegangenen Jahr erfolgten Übertragung der Leitung der SODFG zu, die er bis 1944 inne-
hatte. Vor allem in diesem institutionellen Kontext wird die Vermengung von politischen
Interessen und wissenschaftlicher Forschung bei Brunner deutlich. In seinem Eröffnungsre-
ferat auf der Hauptversammlung der Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften 1938/39
führte er, auch vor dem Hintergrund seiner niederösterreichisch-mährischen Herkunft,
aus : Ich meine, die volksdeutsche Forschungsarbeit hat auszugehen vom Begriff des deutschen
Lebensraums. […] Dem Lebensraum gehören Binnendeutsche und Volksdeutsche wie deren
Staatsvölker an. Die volksdeutsche Forschung darf nicht ängstlich vor den Reichsgrenzen halt
machen. […] Durch die Heimkehr der Ostmark sind kleinere fremde Volksgruppen (Slowenen,
Kroaten, Madjaren) dem Reich eingegliedert worden. Es gilt, deren Beziehungen zu verfolgen
und die wissenschaftlichen Fundamente der Volksgruppenpolitik des Reiches auszubauen. Vor
allem aber sind durch die Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren ganz neue For-
schungsaufgaben, aber auch ganz neue Forschungsmöglichkeiten entstanden. […] Die Frage des
germanischen Blutes in diesen Ländern, des deutschen Anteils am Blut wie an der politischen
und kulturellen Leistung des Tschechentums, wird in breitester Front aufzurollen und damit
die Voraussetzung für Existenz und Funktion des Tschechentums im deutschen Lebensraum zu
klären sein73. Eine Präzisierung dieser Forschungsaufgaben legte Brunner in seinem Vortrag
anlässlich der zehnten Jahrestagung der SODFG im März 1941 vor, die in der Begründung
des Anspruchs deutscher kultureller Hegemonie in Südosteuropa kulminierte74.
Wie die Arbeit der anderen Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften, stand auch die-
jenige der SODFG, zumal nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische
Deutsche Reich, im Zeichen wissenschaftlicher Politikberatung. Hieran war auch Brun-
ner zeitweilig maßgeblich beteiligt. Ob ihm in seiner Eigenschaft als Leiter der SODFG
Geschichte und Propaganda. Kulturhistorische Ausstellungen in der NS-Zeit, in : GG 24 (1998) 349–381.
71 Otto Brunner, Länder und Herrschaften – die politischen Grundordnungen im mittelalterlichen Öster-
reich, in : Germanen-Erbe. Monatsschrift für deutsche Vorgeschichte Amtliches Organ des Reichsbundes für
Deutsche Vorgeschichte und der Hauptstelle des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltan-
schauliche Schulung und Erziehung der NSDAP 3 (1938) 143–145.
72 Siehe hierzu ausführlich Stoy, Institut (wie Anm. 12) 242–297.
73 Otto Brunner, Die veränderte politische Lage und ihre Auswirkungen auf die volksdeutsche Forschungsar-
beit. Eröffnungsreferat für die erste Hauptversammlung der Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften für
1938/39. Politisches Archiv, Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland PA AA R 60295, E063332
(Kult. Pol. 75a/5). Siehe auch Haar, Historiker (wie Anm. 7) 314.
74 Vgl. ÖStA AdR, SOEG, Karton 58, Aktenvermerk F. Kraus über die 10-Jahrestagung der SODFG am
17./18.03.1941 ; siehe hierzu FahlBusch, Forschungsgemeinschaft (wie Anm. 8) 255–256.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625