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Otto Brunner (1898–1982) 457
begünstigt. Als symbolischer Ausdruck hierfür kann die Verleihung des Verdun-Preises
an ihn im Jahr 1941 sowie die im selben Jahr erfolgte Aufnahme als Korrespondierendes
Mitglied in die Wiener Akademie der Wissenschaften angesehen werden78. Ausschlagge-
bend aber war zunächst die Übernahme institutioneller Leitungsfunktionen, die durch
den Tod Hirschs neu zu besetzen waren. Dass hierbei nicht politische Kriterien, sondern
die Umstände vor Ort Brunner aufgrund seiner kontinuierlich und erfolgreich aufgebau-
ten Position im personellen Gefüge der Wiener Historiker gleichsam einen Heimvorteil
verschafften, verdeutlicht die Konkurrenz im Stellenspiel mit Mayer und insbesondere
mit Zatschek, die beide Ambitionen auf die Hirsch–Nachfolge hatten und – vor allem
Zatschek – sich mindestens ebenso pronationalsozialistisch positionierten wie Brunner79.
Aufschlussreich für Brunners wissenschaftlich-politisches Engagement ist die Charakteris-
tik durch den ungleich engagierteren Bauer, der in einem Brief vom 20. Oktober 1940 an
Mayer schrieb, dass es „im Grunde“ Brunners „Ideal“ sei, „ohne Ablenkung durch orga-
nisatorische und kämpferische Aufgaben, seiner Forschung zu leben“80. Dies schloss eine
Mitgliedschaft in der NSDAP nicht aus, wenngleich diese im Falle Brunners, trotz seines
„Anschluss“-Enthusiasmus, keineswegs gradlinig verlief. Nach mehrfachen vorangegange-
nen Ablehnungen seines am 1. Juli 1938 gestellten Aufnahmeantrags unter Hinweisen auf
die der „Volksgemeinschaft“ gegenüber kritischen Haltung seiner Frau, sein Alter und sein
instrumentelles Verhältnis zur Partei, wurde Brunner durch nachdrückliche Intervention
der örtlichen Parteileitung bei der Münchener Parteizentrale per Mitteilung vom 18. Feb-
ruar 1944 rückwirkend zum 1. Januar 1941 in die NSDAP aufgenommen81.
4. das wissenschaftliche werk
Das wissenschaftliche Werk Brunners ist bereits im Zeitraum bis 1945 zu facettenreich,
um es im beschränkten Rahmen dieses Aufsatzes in Gänze kritisch darzustellen zu können.
Einige Aspekte, wie etwa die Geschichte des habsburgischen und Wiener Bürgertums, sind
bislang kaum untersucht worden. Andere hingegen, wie Brunners in kritischer Auseinan-
78 Siehe hierzu HeiBer, Walter Frank (wie Anm. 66) 609 und 927. Zum ordentlichen Mitglied der Akademie
der Wissenschaften wurde Brunner 1944 gewählt.
79 Zum unterschiedlichen individuellen politischen Engagement der Wiener Historiker vor dem Hintergrund
der gemeinsamen Zugehörigkeit zur „gesamtdeutschen Geschichtsauffassung“ siehe detailliert und kenntnis-
reich Heiss, Vergangenheit (wie Anm. 58) passim ; zu Zatschek und Brunner 1940/41 siehe auch Hruza,
Zatschek (wie Anm. 24) 714–718.
80 Bauer an Mayer, 20.10.1940, in : ÖAW, Archiv, NL Wilhelm Bauer, Karton 4, Konvolut 18.
81 ÖStA AdR, Gauakt Otto Brunner Nr. 38136 : Brief des Schatzmeisters der NSDAP an den Gauschatzmeister
des Gaues Wien, München, 18.02.1944. Siehe auch bereits Heiss, Vergangenheit (wie Anm. 58) 52.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625