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Otto Brunner (1898–1982) 459
ein für die Geschichte der Stadt Wien nieder. Die Gelegenheit, Wiener Stadtgeschichte
und das in seiner Dissertation behandelte Thema der „Türkenkriege“ zusammenzufüh-
ren, bot die Prinz-Eugen-Ausstellung anlässlich der Erinnerung an den Entsatz Wiens
1683 im Schloss Belvedere 1933, an der Brunner sich als Mitglied des Arbeitsausschusses
und Mitautor des Begleitkatalogs beteiligte und zudem einen einschlägigen Artikel in
der „Deutsche(n) Rundschau“ publizierte88. In beiden Texten stellt Brunner die türki-
sche Belagerung Wiens in den größeren historischen Zusammenhang der um 1700 in
Südosteuropa eingedämmten Expansion des Osmanischen Reiches und des Aufstiegs der
Österreichischen Monarchie zu einer europäischen Großmacht.
4.2 Geschichte Österreichs und der Habsburger Monarchie
Hiermit sowie mit dem allgemeinen Problem der österreichischen Geschichte trat ein
zweites Arbeitsfeld hinzu, das Brunner über seine formativen Jahre hinweg vor allem bis
1945, aber auch darüber hinaus, intensiv beschäftigte und den geo-politischen Aspekt sei-
ner allgemeinen ordnungsgeschichtlichen Problemstellung markiert. Motivierender Hin-
tergrund hierfür waren die Kriegsniederlage und die Auflösung der k. u. k. Monarchie,
die das Nachdenken über eine Deutungsrevision der österreichischen Geschichte auslös-
ten89. Vor allem bedurfte der 1893 gesetzlich eingeführte und seither in der akademischen
Lehre kanonisierte Interpretationsrahmen der „Österreichischen Reichsgeschichte“90 ei-
nes grundlegenden konzeptionellen Umbaus, der jedoch nur zögerlich zustande kam91
und politisch ins Leere zu laufen drohte, solange das memorialpolitische Vakuum einer
österreichischen Identität nach dem in den Friedensverträgen von Versailles und Saint-
Germain-en-Laye völkerrechtlich sanktionierten Verbot des Anschlusses ans Deutsche
Reich ungeschlossen blieb.
88 Katalog der Prinz-Eugen-Ausstellung. Wien-Belvedere, Mai–Oktober 1933, hg. v. Verein der Museumfreunde
in Wien (Wien 1933) 5 und 76–80 ; Otto Brunner, Die Türken vor Wien. Zur 250-jährigen Wiederkehr der
zweiten Türkenbelagerung 1683, in : Deutsche Rundschau 59 (1933) 163–168.
89 Zum Vergleich mit der ähnlichen Herausforderung an die deutsche Geschichtswissenschaft nach 1918, auch
mit Blick auf Brunner, siehe Friedrich Lenger, Eine Wurzel fachlicher Innovation ? Die Niederlage im Ersten
Weltkrieg und die Volksgeschichte in Deutschland – Anmerkungen zu einer aktuellen Debatte, in : Kriegsnie-
derlagen. Erfahrungen und Erinnerungen, hg. v. Horst Carl, Hans-Henning Kortüm, Dieter Langewie-
sche, Friedrich Lenger, Berlin 2004, 41–55.
90 Siehe hierzu Kurt EBert, Zur Einführung der Österreichischen Reichsgeschichte im Jahre 1893, in : Die
Österreichische Rechtsgeschichte. Standortbestimmung und Zukunftsperspektiven, hg. v. Hans Constantin
Faussner, Gernot Kocher, Helfried Valentinitisch (Graz 1991) 49–73 ; Lhotsky, Geschichte des Ins-
tituts (wie Anm. 24) 227–231.
91 Siehe hierzu Fritz Fellner, „…ein wahrhaft patriotisches Werk.“ Die Kommission für Neuere Geschichte
Österreichs 1897–2000 (VKGÖ 91 Wien 2001) 90–97.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625