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494 Alfred Werner Höck
Aufgaben schon kommen63. Seine Hoffnungen auf eine baldige Machtübernahme der NS-
DAP wurden jedoch schon wenige Wochen später durch die „Ausschaltung“ des Parla-
mentarismus und die nun einsetzenden Repressionsmaßnahmen der Regierung unter
Bundeskanzler Engelbert Dollfuß enttäuscht. In einer Mischung aus Resignation und
Trotz schildert er daraufhin Otto Höfler seine Eindrücke : Die politischen Verhältnisse sind
zum Weinen. Dollfuss herrscht unumschränkt. Erzschwärze überall. Sogar von den Wänden
der Turnsäle muss das Bild des Vaters Jahn64 als staatsgefährlich heruntergekratzt werden wie
in den besten Zeiten der Monarchie. […] Unsere Zeitungsverkäufer dürfen nicht einmal mehr
Parteiabzeichen tragen, Alle Anstrengungen richten sich gegen die Nazi. […] Nützen wird es
ihnen freilich ebensowenig etwas, wie in Deutschland65. Die nach dem NS-Putschversuch
verschärfte Überwachung nationalsozialistischer Aktivitäten ließen ihn für einige Zeit von
einer aktiven Betätigung Abstand halten, wie aus seinen Personalunterlagen aus der NS-
Zeit hervorgeht. Dazu trug wohl auch bei, dass seine offensichtliche „nationale“ Einstel-
lung inzwischen die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gezogen hatte, was sich in der
Verzögerung seines Habilitationsverfahrens niederschlug. Aber bereits 1936 bemüht er
sich wieder die „eigenen Kreise“, die sich bisher im (offiziell aufgelösten) Akademischen
Germanisten-Verein organisierten hatten, konspirativ wiederzubeleben. Wir sind daran
gegangen, den G.V. wieder von innen heraus zu beleben und der erste Versuch schlug sehr gut
aus. Wir haben Zusammenkünfte an jedem 1. u. 3. Mittwoch im Monat eingerichtet, bei de-
nen über ein kulturelles Gebiet referiert wird […] Die Einladung erfolgt nur persönlich an
Leute die man kennt. Dadurch schleppen wir den ganzen Ballast nicht mehr mit und wissen
wen wir vor uns haben. Beim 1. Abend musste ich als Eröffnungsmann ins Feuer und habe
wieder einmal über den nordischen Menschen in Ideal und Wirklichkeit gesprochen. […] Wir
waren erstaunlich viele, gut 30. Fürs erste Mal ausgezeichnet66. Bilanziert man Wolframs
erhaltene private Äußerungen wie auch die in seinen wissenschaftlichen Arbeiten jener
Jahre zum Ausdruck gebrachten „völkischen“ Einstellungen, so muss man feststellen, dass
er sich seit 1932 eindeutig mit dem Nationalsozialismus identifizierte und daran auch in
den Jahren der „Illegalität“ der Bewegung in Österreich festhielt. Wie sehr Weltanschau-
63 Wolfram an Höfler, datiert 07.03.1933 (wie Anm. 59).
64 Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), genannt „Turnvater Jahn“, Schöpfer des deutschen Turnwesens im Zuge
der nationalen Bewegung gegen die napoleonische Besetzung Deutschlands, Mitglied der Frankfurter Natio-
nalversammlung 1848/49 und Identifikationsfigur der völkischen Rechten.
65 SLIVK, NRW, Briefe 21643-N : Wolfram an Höfler, datiert 20.04.1933.
66 Ebd. Briefe 21632-N : Wolfram an Höfler, datiert 21.11.1936. Wolframs ideologische Einbettung geht auch
aus seinen Vereinsmitgliedschaften hervor : Deutscher Alpenverein, Deutscher Schulverein Südmark, Deutsch-
schwedischer Verein Svea, Akademischer Germanistenverein, Anthropologische Gesellschaft, Verein für Volks-
kunde in Wien und der NS-Lehrerbund. Siehe BAB, Personalakt (PA) Wolfram, Vereinsmitgliedschaften bei
(undatierte Karteikarte).
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625