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Richard Wolfram (1901–1995) 495
ung und wissenschaftliche Theorie bei Wolfram einander bedingen, zeigt sich in seiner
Habilitationsschrift.
7. „die geBorene und die gekorene gemeinschaft“.
schwerttanz und männerBund als gesellschaftsmodell
Unter dem Einfluss Muchs67 und der Arbeiten Höflers fand Wolfram Anfang 1929 ein
Thema, das für ihn die Klammer für seine germanische Spurensuche und seinen Ge-
sellschaftsvorstellungen werden und ihn nicht mehr loslassen sollte68, nämlich den Zu-
sammenhang zwischen rituellem Tanz und Männerbund. Bereits 1902 hatte der Volks-
kundler Heinrich Schurtz den Begriff Männerbund geprägt69, der in der Folge von
zahlreichen Wissenschaftlern, vor allem im Wilhelminischen Deutschland, aufgegriffen
und schließlich von Georges Dumézil70 zu einem typischen Element der indogermani-
schen Völker erklärt wurde. Dieses Theoriekonstrukt ging von der Vorstellung aus, dass
Männer in besonderen Bünden bestimmte Rituale nach festen Regeln pflegen und dabei
eine feste hierarchische Ordnung erstellen, die das gesamte Sozialleben der Gemeinschaft
bestimme. Da die Betonung in Wolframs theoretischen Ansatz auf den Männerbünden
liegt, muss an dieser Stelle kurz auch auf die enge und lebenslange Freundschaft Wolf-
rams mit Höfler eingegangen werden. Gleichen Alters, beide von ihrer ursprünglichen
Ausbildung her Germanisten, kannten sie einander aus dem Seminar Muchs, als dessen
Schüler sie sich beide verstanden und dessen rassisch geprägte Germanenmythologie sie
als Grundlage ihrer eigenen Forschungsarbeiten verwendeten. Höfler, der sich wie Wolf-
ram bei Much habilitierte und von diesem sehr gefördert wurde, hatte bereits 1932 die
Lehrbefugnis für „Germanische Sprachgeschichte und Altertumskunde“ erhalten und war
1934 auf ein germanistisches Extraordinariat an der Universität Kiel berufen worden71.
Höfler identifizierte sich stark mit dem Nationalsozialismus, verstand seine Arbeiten als
politische Wissenschaft und exponierte sich als ideologischer Ideengeber für das „Ahnen-
67 Wolfram widmet seine Arbeit in seinem Vorwort Much und sieht sie geprägt von dessen „Wiener Schule“.
Siehe Richard Wolfram, Schwerttanz und Männerbund, 1. Lieferung (Kassel o. J. [1935]) 4.
68 Siehe SLIVK, NRW, Briefe 21674-N : Wolfram an Höfler, datiert 05.02.1929.
69 Der Ethnologe und Historiker Heinrich Schurtz versuchte in seinem Werk : Altersklassen und Männer-
bünde. Eine Darstellung der Grundformen der Gesellschaft (Berlin 1902), in Ablehung der matriachalischen
Theorien des schweizer Historikers Johann Jakob Bachofen, den „reinen Gesellungstrieb des Mannes“ als den
eigentlichen Träger einer gesellschaftlichen (Höher-)Entwicklung zu postulieren. Wolfram übernahm diese
Sichtweise und machte sie zu einem Grundbestandteil seiner Männerbund-Theorie.
70 Georges Dumézil, französischer Religionswissenschaftler und Soziologe. Beschäftigte sich mit komparativer
Mythologie.
71 Siehe Bockhorn, Angelegenheit (wie Anm. 5) 206.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625