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Richard Wolfram (1901–1995) 501
nenerbe“ unter ihrem Reichsgeschäftsführer Wolfram Sievers94. Das „Ahnenerbe“ expan-
dierte in zahlreichen Bereichen des deutschen Wissenschaftsbetriebes, wodurch der Bedarf
nach akademisch geschulten Forschern hoch war. Wissenschaftler, die wie Wolfram ihre
NS-Überzeugung schon seit längerem bewiesen hatten95, fanden auf diese Weise schnell
Auftragsarbeiten, Fördergelder und Posten. Wolfram hatte sich mit seinen Arbeiten bis
dahin hinreichend als „völkisch“ orientierter Volkskundler ausgewiesen. Neben der Arbeit
an seiner Habilitationsschrift hatte er bis 1938 rund dreißig wissenschaftliche Beiträge
veröffentlicht96, von denen die Meisten Fragen des Volks- und vor allem der Schwerttänze
behandelten, daneben aber auch Themen wie Weiberbünde97, Altersklassen und Männer-
bünde in Rumänien98 oder die Julumritte im germanischen Süden und Norden99. In die-
sen Arbeiten versucht er stets, Verbindungslinien zwischen den „germanischen Völkern“
herzustellen, die er immer wieder in Kulten, Bräuchen und Tänzen aufzufinden glaubt.
Seine Lehrveranstaltungsskripten nach 1938 bezeugen die zu Grunde liegenden theoreti-
schen Annahmen und Zielsetzungen im nationalsozialistischen Sinn100.
Als solcherart ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Volkstums wurde er am 13.
Juli 1938 zum Leiter der in Salzburg neu gegründeten „Lehr- und Forschungsstätte für ger-
manisch-deutsche Volkskunde“ im Rahmen der „Außenstelle Süd-Ost“ des „Ahnenerbes“
94 Wolfram Sievers, Geschäftsführer des „Ahnenerbes“ seit 1935, ab 1943 stellvertretender Leiter des Beirates
des Reichsforschungsamtes. 1947 wurde er im Zuge des Nürnberger Ärzteprozesses im Zusammenhang mit
tödlichen Menschenversuchen angeklagt und zum Tode verurteilt. Zur Stellung des „Ahnenerbe“ im Wissen-
schaftsapparat und seinen Zielen siehe Michael H. Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945. Ein Beitrag
zur Kulturpolitik des Dritten Reiches (Studien zur Zeitgeschichte 6, München 42006).
95 In einem Leumundszeugnis der NSDAP Wien für Wolfram wird diesem attestiert, er habe selbst in der
schwersten Systemzeit [gemeint ist die Zeit des „Ständestaates“ in Österreich 1934–1938. Anm. d. Verf.] aus
seiner NS-Gesinnung keinen Hehl gemacht“. Siehe BAB, PA Wolfram : NSDAP Wien an die Reichsschrift-
tumskammer – Landesstelle Österreich, datiert 09.11.1938.
96 Eine Übersicht über Wolframs Veröffentlichungen der Jahre 1927 bis 1960 findet sich im : Verzeichnis der
Schriften von Richard Wolfram. Als Festgabe zu seinem sechzigsten Geburtstag dargebracht von seinen Wie-
ner Freunden und Kollegen (Wien 1961) 18–30.
97 Richard Wolfram, Weiberbünde, in : Zeitschrift für Volkskunde (Neue Folge IV, Berlin 1933) 137–146.
98 Ders., Altersklassen und Männerbünde in Rumänien, in : Mitteilungen der Anhropologischen Gesellschaft
in Wien 64 (Wien 1934) 112–128.
99 Ders., Die Julumritte im germanischen Süden und Norden, in : Oberdeutsche Zeitschrift für Vokskunde 11.
Jg. (1937) 6–28.
100 Einblicke in seine wissenschaftstheoretische Sichtweise finden sich vor allem in seinen Vorlesungen an der
Universität Wien. Etwa in seinen Übungen für Germanisten : Einführung in die Volkskunde für Lehramts-
kandidaten der Germanistik (Skriptum für die Vorlesung, gehalten in den Sommer-Semestern 1942–1944).
Siehe SLIVK, NRW, Lehre 16673-N. Darin findet sich die Darlegung seiner weltanschaulichen Aspekte der
Beschäftigung mit der Volkskunde. Ebenso in seinem Grundriss der deutschen Volkskunde (Skriptum für die
Vorlesung, gehalten im Winter-Semester 1942/43). Siehe SLIVK, NRW, Lehre 16902-N.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625