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Richard Wolfram (1901–1995) 503
Anhänger mutiert und insbesondere Wolfram hatte sich als einer der Bannerträger im
Kampf gegen die Anhänger der Mondmythologen exponiert106.
Somit schien Wolfram für die Aufgabe in Salzburg aus Sicht des „Ahnenerbes“ be-
sonders qualifiziert. Dieser fasste die Hauptgesichtspunkte der zukünftigen Arbeiten des
Institutes, die keineswegs auf Salzburg beschränkt bleiben sollten, wie folgt zusammen :
I. Wie weit ist die Ostmark in den Grundlagen ihres Volkstums germanisch bestimmt ? II.
Welche germanisch-deutsche Ausstrahlung lässt sich im nahen Südosten nachweisen ?107 Wolf-
ram verfolgte diese Ziele mit Hilfe eines kleinen wissenschaftlichen Mitarbeiterstabes,
dem auch kurzzeitig der Germanist und SS-Hauptsturmführer Hans E. Schneider ange-
hörte, dem als Hans Schwerte nach 1945 eine zweite wissenschaftliche Karriere gelingen
sollte108, und einigen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die Arbeiten Wolframs in Salzburg
zeigen ihn in konsequenter Verfolgung der oben zitierten Ziele. Die Brauchtums- und
Volkstanzaufnahmen des Institutes dienen vor allem der Suche nach angeblichen ger-
manischen Wurzeln und Traditionslinien. Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei das
Perchten-Brauchtum, dem sich Wolfram sowohl im Zuge von Aufführungen (wie etwa
1939 in St. Johann im Pongau)109 als auch in Publikationen widmet. Die Mischung aus
Männergruppe, Tanz und Vermummung in diesem Brauchtum entspricht seinen Män-
nerbundvorstellungen in idealer Weise und so hebt er die angeblichen „germanischen“
Quellenspuren und „Wesenselemente“ der Perchten hervor110. Seine Methodik beruht
106 Zu den Auseinandersetzungen zwischen den Ritualisten und den Mondmythologen siehe Bockhorn, An-
gelegenheit (wie Anm. 5) 202–204, und Ders., Von Ritualen, Mythen und Lebenskreisen : Volkskunde
im Umfeld der Universität Wien, in : Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und
österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg. v. Wolfgang JacoBeit, Hannjost
Lixfeld, Olaf Bockhorn (Wien/Köln/Weimar 1994) 559–526.
107 BAB, NS 21 : Arbeitsplan der Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde innerhalb der Aus-
senstelle Süd Ost der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe, verfasst von Wolfram, o. J. (Sommer 1938) ; Siehe
auch Bockhorn, EBerhart, Volkskunde (wie Anm. 5) 59. Wolfram bedankte sich in einem persönlichen
Schreiben bei Heinrich Himmler für seine Ernennung zum Abteilungsleiter, bezeichnete sich als kaltgestellt
durch das verflossene System [Anm. gemeint ist der Ständestaat] und versprach seine besten Kräfte einzusetzen,
um Himmlers Vertrauen zu rechtfertigen. BAB, NS 21 : Wolfram an Himmler, datiert 18.02.1938.
108 Siehe Claus Leggewie, Von Schneider zu Schwerte. Die ungewöhnliche Leben eines Mannes, der aus der
Geschichte lernen wollte (München/Wien 1998) 71–73.
109 Zur Neuinszenierung des Perchtenumzuges als germanisches Brauchtum siehe Alfred W. Höck, Bilder aus
dem Salzburger Land. Bildberichterstattung im Zeitalter der Diktaturen, in : Im Fokus. Die Bildberichter-
statterin Erika Groth-Schmachtenberger und ihr Werk, hg. v. Christine Dippolt, Monika Kania-Schütz
(Schriftenreihe des Freilichtmuseums des Bezirks Oberbayern an der Glentleiten 31, Würzburg 2008) 133–
163, hier 150–153.
110 Siehe Richard Wolfram, Die Sinnbilder in der Volkskunde, in : Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das
Ahnenerbe“. Jahrestagungen. Bericht über die Kieler Tagung 1939, hg. v. Herbert Jankuhn (Neumünster
1944) 17–34.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625