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504 Alfred Werner Höck
zum Großteil auf „indirekten Schlussfolgerungen“, die sich auf einschlägige völkische
Fachliteratur und Experten berufen, so etwa in einer „Beweisführung“ für die angebli-
chen germanischen Ursprünge des „Pinzgauer Tresterertanzes“ im Salzburgischen. „Wenn
wir heute noch Tänze antreffen, die deutlich in der ‚alten Religion‘ wurzeln, dürfen wir
sie in ihrer überwiegenden Zahl getrost in die germanische Zeit zurückverlegen. Es ist
üblich, die Maskentänzer unserer Alpen als keltisch, illyrisch uff. zu bezeichnen. Etwa
den unheimlich schwierigen, musiklosen Stampftanz der Pinzgauer Schönperchten (ihr
Name ‚Tresterer‘ ist aber germanisch), die Sprünge der Tiroler und bayrischen Schellen-
rührer […]. Die fremdvölkische Herkunft dieser Tänze ist also durchaus nicht so sicher,
wie man ja auch das Maskenwesen nicht als ungermanisch abtun kann“111. Als Beleg für
diese Interpretation verweist Wolfram auf Höflers „Kultische Geheimbünde“ und seinen
„Schwerttanz und Männerbund“112. Dieses in sich geschlossene Referenzsystem ist Kern-
bestandteil „völkischer Wissenschaft“ und findet seine konsequente Anwendung in Wolf-
rams Arbeiten. Die theoretische Voreingenommenheit wird bei ihm jedoch oft begleitet
von einer methodisch-praktischen Aufgeschlossenheit für die Verwendung neuer techni-
scher Hilfsmittel. Nach Möglichkeit bediente sich Wolfram der neuen technischen Er-
rungenschaften von Fotografie und Ton- und Filmaufnahmen. Seine Aufgeschlossenheit
für den Einsatz dieser Technologien führt auch zu einer Anregung im Oktober 1939, ein
Archiv für volkskundliche Schmalfilme einzurichten113. Hier kommen ihm die Erfahrun-
gen zu Gute, die er seit den 1920er Jahren im Rahmen zahlreicher Lichtbildvorträge (etwa
für die „Wiener Urania“) im In-und Ausland gasammelt hatte. Da seine Lektorentätigkeit
an der Universität eine unbezahlte war, hatte er früh auf die Selbstvermarktung seiner
Person und seiner Kenntnisse des Volkstanzwesens zurückgegriffen und dabei den Vorteil
des Einsatzes von Lichtbildern mit Musik- und Tanzeinlagen entdeckt. Nach Kriegsende
werden es diese Vortragstechniken sein, die ihm ein Einkommen sichern werden. Seine
eigene Erfahrung, ohne Gehalt an der Universität arbeiten zu müssen, führt Wolfram
an, als es darum geht, die Tätigkeiten des Institutes durch die Beschäftigung weiterer
freier Mitarbeiter auszuweiten. So appelliert er an Reichsgeschäftsführer Sievers im Herbst
1938, die Gelegenheit zu nutzen und mehr Fördermittel für volkskundliche Arbeiten zur
Verfügung zu stellen, nicht zuletzt aus Eigeninteresse des „Ahnenerbes“. Da ich selbst aber
111 Richard Wolfram, Tänze der Germanen, in : Germanien. Monatshefte für Germanenkunde zur Erkenntnis
deutschen Wesens (Mai 1938) Jg. 10, Heft 5, 156–160, hier 159.
112 Ebd. 159.
113 Siehe BAB, NS 21 : Wolfram an die Reichsgeschäftsführung der Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe“,
datiert 04.10.1939 ; Auf all seinen zahlreichen Reisen in verschiedene Länder Europas machte er im Laufe
der Jahrzehnte stets umfangreiche Fotoaufnahmen von Brauchtum und volkskundlichen Themen. Auch das
Medium Film setzte er gezielt ein, so etwa bei der Brauchtumsaufnahme im Rahmen der Kulturkommission
in Südtirol, wo er mit dem Kameramann und SS-Hauptsturmführer Helmuth Bousset zusammenarbeitete.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625