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508 Alfred Werner Höck
Diese ideologische Betonung von Geschichte und Volkskunde, die in diesen Gutach-
ten zum Ausdruck kommt, ist auch in den Einführungs- und Überblicksvorlesungen für
VolkskundlerInnen und GermanistInnen zu finden, die Wolfram trotz zunehmender
Mehrfachbelastung nach Kriegsausbruch bis in das Jahr 1944 regelmäßig an der Uni-
versität Wien hielt. Er schwor die Studierenden auf eine verpflichtende Gemeinschaft des
Blutes und des Geistes, die wir Volk nennen130 ein und interpretierte aus „völkischer“ Sicht
die Entwicklungslinien des Faches. Eingebettet in einen philosophiegeschichtlichen Hin-
tergrund, lief das auf einen politischen Auftrag für die moderne Volkskunde hinaus : Mit
dieser Zielsetzung [die Ausscheidung des Artfremden, Anm. d. Verf.] ist aber die deutsche
Volkskunde eine Grund- und Schlüsselwissenschaft und eine hervorragend politische Wissen-
schaft, deren hoher Rang in unserer Gegenwart durchaus berechtigt ist131.
10. „volkstumseinsatz“ in südtirol und in der gottschee
Bei Kriegsausbruch wurde Wolfram unabkömmlich gestellt und in den „Sonderstab des
Reichsführers SS“ übernommen132. Damit avancierte seine volkskundliche Arbeit von der
ideologisch-akademischen zu einer militärischen Dienstleistung im Rahmen der weltan-
schaulichen Kriegsführung. Im Zuge seiner Ernennung in Wien war zwar der Großteil
seiner Forschungsstätte von Salzburg nach Wien verlegt worden133, aber seine Tätigkeiten
verlagerten sich schon wenige Monate nach Kriegsausbruch nach Südtirol. Inzwischen
war im Zuge des „Hitler-Mussolini-Abkommens“ vom 21. Oktober 1939 die endgültige
„Bereinigung“ der Südtirol-Frage durch die Aussiedelung der deutschen Volksgruppe be-
und das „Ahnenerbe“ bezeichnet. Dass die Auseinandersetzung weitergeführt wurde, zeigt ein Schreiben aus
dem Jahr 1944 von Otto Huth vom religionswissenschaftlichen Seminar der Reichsuniversität Straßburg an
den lieben Richard Wolfram, in dem er diesem mitteilt, dass er ebenfalls ein Gutachten gegen Spiess verfasst
habe und sich freue, sich mit Wolfram in völliger Übereinstimmung zu finden. Siehe SLIVK, NRW, Typo-
skript 18475-N : beiligender Brief Huths an Wolfram, datiert 20.05.1944.
130 SLIVK, NRW, Volkskundliche Übungen für Germanisten (wie Anm. 100) pag. 14.
131 SLIVK, NRW, Lehre 16902 : Grundriss der deutschen Volkskunde [WS 1942/43] 8.
132 In dieser Funktion gehörte er der Stabsabteilung der Waffen-SS beim persönlichen Stab Himmlers an und
war Angehöriger der Waffen-SS im Rang eines SS-Schützen (entsprach einem einfachen Soldaten der Wehr-
macht). Mit 31.05.1940 wurde er von der Reichsgeschäftsführung des „Ahnenerbe“ vom Wehrdienst un-
abkömmlich gestellt. Ende 1943 wurde von Sievers ein Antrag auf Ernennung Wolframs zum Fachführer
der Waffen-SS, im Rang eines SS-Untersturmführers (vergleichbar dem Leutnantsrang in der Wehrmacht)
gestellt, da er für seine Verwendung im Germanischen Wissenschaftseinsatz, erst als Führer der SS den für die
Durchführung der Aufgaben notwendigen Rückhalt und Anerkennung genießen könne. Ob diesem Antrag
entsprochen wurde, geht aus den Akten nicht hervor. Siehe BAB, PA Wolfram, Schreiben an das Hauptamt
des persönlichen Stabes beim Reichsführer SS, datiert 15.12.1943.
133 Siehe Bockhorn, Angelegenheit (wie Anm. 5) 221.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625