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Richard Wolfram (1901–1995) 509
schlossen worden. Zu diesem Zweck sollte „die Erfassung und Sicherstellung des geistigen
und dinglichen Kulturgutes aller umsiedelnden Volksdeutschen“ durch das „Ahnenerbe“
vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang spielte der spätere „Südtiroler Prophet“
Wolfram (siehe unten Kapitel 15) eine eigentümliche Rolle, denn obwohl er nach dem
Krieg stets beteuerte, sich als einfacher Volkskundler für die Bewahrung der „deutschen“
Kultur Südtirols besonders eingesetzt zu haben, wandte er sich in im November 1939 an
Sievers und unterbreitete einen Plan für die Umsiedlung der Südtiroler zur Weiterleitung an
den Reichsführer SS, für den Hugo Hassinger zeichne und der dem Kreise der Südostdeut-
schen Forschungsgemeinschaft in Wien, an der ich auch lange mitarbeitete, entstamme134.
Darin wird festgestellt : Da das Opfer dieser Umsiedlung notwendig ist, muss alles getan
werden, um diese Volksgruppe in ihrer wertvollen Eigenart zu erhalten. Deshalb kann nur
eine Neuansiedlung in geschlossener Gruppe und in verwandter Landschaft (keinesfalls in
der Ebene) in Frage kommen. […] Ferner wären bei der Umsiedlung nach unserer Meinung
erprobte und mit dem Volkstum vertraute Berater einzusetzen, die beim Wiederaufbau für eine
möglichst artgemässe Gestaltung zu sorgen hätten135. Dieser Vorschlag wurde von Sievers
an Himmler mit Verweis auf den Leiter unserer Forschungsstätte für „germanisch-deutsche
Volkskunde“ zu Salzburg, Prof. Dr. Richard Wolfram beschleunigt weitergeleitet136. Mit die-
134 Siehe BAB, NS 21 : Wolfram an Sievers, datiert 18.11.1939 ; Laut Michael Fahlbusch war die in Wien ansäs-
sige „Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft“ bereits 1931 gegründet worden, und damit eine der älteste
der insgesamt 6 regionalen Forschungsgemeinschaften. Sie entwickelte nach Kriegsbeginn eine führende Rolle
auf dem Gebiet der NS-„Volkstums“-Politik, vor allem durch die Erfassung und Kartierung der deutschen
Minderheiten. Ihr ursprünglicher Zweck war (zunächst in enger Rücksprache mit dem deutschen Auswärtigen
Amt und vormals in der Leipziger „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung“ zusammenge-
schlossenen völkischen Wissenschaftlern), den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und die Revision
der Pariser Vorortsverträge vorzubereiten. Ihr gehörten an leitender Stelle der Kulturgeograph Hugo Hassinger
und die Historiker Hans Hirsch, Otto Brunner und Wilfried Krallert an. Querbeziehungen existierten zum
Südostdeutschen-Institut an der Münchener Universität und mit Prag. Der Vordenker der Geopolitik, Karl
Haushofer, der volkstumspolitischer Berater der NSDAP-Führung war und die Leitung im Volksdeutschen Rat
übernommen hatte, vermittelte zwischen dem Auswärtigen Amt und den völkischen Wissenschaftlern in Wien
und München. Er schrieb dem südostdeutschen Forschungsverbund folgende Aufgaben zu : „Die historisch-
geographische Erforschung Südosteuropas diente dem Ziel, den deutschen kulturpolitischen Einfluß historisch
in den Ländern bis zur Donaumündung nachzuweisen. Dabei sollten die gegenwärtigen sozioökonomischen
und ethnographischen Strukturen erforscht und für die entsprechenden Interessengruppen im Bereich der Ver-
waltung, der volksdeutschen Verbände und der NSDAP informell aufbereitet werden.“ Zitiert nach Michael
FahlBusch, Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ : Ein Brain-Trust der NS-Volkstumspolitik ?
[http//hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/diskusio/nszeit12.htm], letzter Zugriff 04.01.2014.
135 BAB, NS 21 : Wolfram an Sievers (wie Anm. 134).
136 Ebd. Wolfram Sievers an den Präsidenten des „Ahnenerbe“, Himmler, Berlin, datiert 22.11.1939. Bereits
wenige Tage später erfolgte die Antwort, dass Himmler grundsätzlich mit dem Vorschlag des […] Prof. Dr.
Richard Wolfram einverstanden sei. BAB, NS 21 : Der Reichsführer-SS Persönlicher Stab an das „Ahnenerbe“,
Berlin-Dahlem, datiert 27.11.1939.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625