Seite - 521 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 521 -
Text der Seite - 521 -
Richard Wolfram (1901–1995) 521
habe und dort bat, dass man einen Teil der notwendigen Kosten, die ich mit 30 bis 40.000 S
bezifferte, übernehmen möge. Oberhammer ging dann auf die Frage der Wiedererlangung
von Wolframs Professur ein : Ich weiß nicht, ob ich in der Richtung einer Intervention beim
Ministerium wegen Ihrer Professur etwas tun soll oder tun kann. Ich wäre selbstverständlich
gerne bereit, Sie zu fördern, wenn Sie mir dazu irgend welche Nachrichten zukommen las-
sen183. Zwischen 1959 und 1962 besuchte Wolfram mehrmals verschiedene Gebiete in
Norditalien und der Schweiz, wobei er für seine Arbeit Unterstützung aus Nord- und
Südtirol erhielt184. Skepsis an seiner methodischen Vorgehensweise sind angebracht, denn
sie gleicht demselben Muster, dass er bereits zwanzig Jahre zuvor angewandt hatte und
das sich primär auf „Gewährspersonen“ stützte. So berichtete er im April 1959 an Ober-
hammer von seinen Aktivitäten : Ich kann vermelden, daß meine Südtirol-Arbeiten weiterge-
hen. Im Tessin gelang es mir, mit Hilfe einer gut deutsch sprechenden Bauenrtochter in einem
Hochgebirgstal Brauchtumsaufzeichnungen zu machen, die als Orientierung für das, was im
rein italienischen Gebiet vorauszusetzen ist und was nicht, recht wertvoll waren185. Dabei
umfassten die Arbeiten nicht nur Forschungen, sondern auch propagandistische Aspekte,
wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht. Der Rückzug seiner Unterstützer Gschnitzer und
Oberhammer186 aus der vorderen politischen Ebene ließ diese Arbeiten Wolframs zum Er-
liegen kommen. Weitere hemmende Faktoren waren seine zunehmende Inanspruchnahme
durch die Herausgeberschaft des „Österreichischen Volkskundeatlas“ (= ÖVA) und vor
allem seine Aufgaben als Institutsleiter des (wieder) gegründeten Institutes für Volkskunde
an der Universität Wien187. Am Ende stand ein Nichtergebnis. Erst 1986 brachte Wolfram
sein Buch über die Volksschauspiele Südtirols als Publikation der ÖAW heraus188. Die groß
angekündigte Arbeit über das Südtiroler Brauchtum sollte jedoch nie erscheinen.
183 Ebd. Briefe 26259-N : Oberhammer an Wolfram, datiert 14.04.1959 ; Ein Jahr später teilte das Bundesminis-
terium für gesamtdeutsche Fragen Wolfram in einem als „vertraulich“ gekennzeichneten Schreiben mit, dass
weitere Zahlungen für seine Abschlussarbeiten am Volkskundeatlas Südtirol an die Beteiligung der Tiroler
Landesregierung geknüpft seien. Die bisher noch nicht verbrauchten Gelder können dann zur Finanzierung der
Bestandsaufnahme im Trentino und im Engadin verwandt werden. Ebd. Briefe 25515-N : Dr. [Emil] Knoop,
Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Bonn, an Wolfram, datiert 08.02.1960.
184 Etwa durch die Beistellung eines Fahrers.
185 SLIVK, NRW, Briefe 22374-N : Wolfram an Oberhammer, datiert 12.04.1959.
186 Oberhammer musste 1961 auf Grund seiner Äußerungen in einem Zeitungsinterview nach den in Südtirol
erfolgten Terroranschlägen von seinem Amt als Landesrat zurücktreten und legte auch sein Amt als Landes-
parteivorsitzender zurück.
187 Siehe SLIVK, NRW, Briefe 26241-N : Am 05.02.1964 erkundigt sich Oberhammer bei Wolfram nach den
Arbeitsfortschritten. Es ist schon wieder fast 2 Jahre her, daß ich zuletzt von Ihnen gehört habe […].Fast habe ich
Sorge, daß die von Ihnen seinerzeit mit so viel Begeisterung begonnene Arbeit nicht mehr recht vom Fleck kommt,
weil Sie nicht mehr über jene Gesundheit verfügen, deren ein so großes Werk bedarf.
188 Richard Wolfram, Südtiroler Volksschauspiele und Spielbräuche (Österreichische Akademie der Wissen-
schaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte 480, Wien 1987).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625