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522 Alfred Werner Höck
16. rückkehr auf den thron. die wiedergründung des
institutes für volkskunde
Wie viele auf Grund von NS-Belastung entlassenen Hochschullehrer gelangte auch Wolf-
ram Schritt für Schritt auf seinen alten Lehrstuhl zurück. Bereits 1948 hatte er beim
zuständigen Dekan der Universität Wien seine Möglichkeiten ausgelotet und eine Umbe-
nennung seiner Venia von der germanischen und deutschen Volkskunde in europäische oder
vergleichende vorgeschlagen ; man verwies ihn auf die absehbare Amnestie189. Die vielfäl-
tigen Interventionen seines Freundes- und Kollegenkreises trugen schließlich Früchte.
Im Jahr 1954 erlangte er die Venia legendi als Dozent der Universität Wien zurück und
erhielt 1959 die ersehnte Ernennung zum a.o. Professor für Volkskunde ad personam. Im
darauf folgenden Jahr wurde mit der Systematisierung der Lehrkanzel für österreichische
und europäische Volkskunde die Voraussetzungen für die (Wieder)Gründung eines Ins-
titutes für Volkskunde an der Universität Wien geschaffen, die schließlich im Sommer-
semester 1961 von der Philosophischen Fakultät beschlossen wurde, womit Wolframs
Bemühen, der Volkskunde den nötigen Arbeits- und Lebensraum zu erringen190, an ihr Ziel
gelangt war. Mit der Institutsleitung Wolframs, der 1963 zum Ordinarius ernannt wurde,
war die „Traditionslinie“ zum Vorgängerinstitut der Jahre 1940–1945 offensichtlich, und
dementsprechend wurde die erste Lehrveranstaltung des neuen Institutes 1964 von ihm
gehalten191.
Mit seiner „Rückkehr auf den Thron“ verband sich die Gelegenheit, weitere Jahre seine
Wissenschaftsanschauungen an eine neue Generation von Volkskundlern, Germanisten
und Historikern (durch Pflichtvorlesungen für Germanisten und Historiker) weiterzu-
geben sowie auch die Personalpolitik des Faches mitzubestimmen. Wie in seinen viel-
fältigen und regen Aktivitäten in der Volkstanz- und Brauchstumspflege, so ist es auch
an der Universität nicht zuletzt seine Lehrtätigkeit, die Wolfram in den Jahren bis zu
seiner Emeritierung eine Schar treuer Anhänger eintrug. Dabei kam ihm seine „Bühnen-
erfahrung“ zu Hilfe, mit der er zumindest einen Teil seiner Zuhörer in den Bann ziehen
konnte. Seine Vorlesungen boten nicht „trockene Hörsaalatmosphäre“, sondern zeigten
einen Volkskundler, der mit Leib und Seele seinem Metier verbunden war und, aus ei-
nem reichenWissensfundus schöpfend, Brauchtum und vor allem Volkstanz (in seinen
189 SLIVK, NRW, Briefe 21612-N : Wolfram an Höfler, datiert 08.06.1948.
190 So Wolfram in einem Memorandum „Zur Wiederbegründung des Institutes für Volkskunde an der Universi-
tät Wien“ datiert 10.01.1962. Zitiert in Olaf Bockhorn, Gertraud Liesenfeld, Vorwort, in : Volkskunde
in der Hanuschgasse. Forschung – Lehre – Praxis. 25 Jahre Institut für Volkskunde an der Universität Wien,
hg. v. Olaf Bockhorn, Gertraud Liesenfeld (Wien 1989) 7–11, hier 9.
191 Es handelte sich um ein Proseminar zum Thema „Einführung in die volkskundliche Arbeitsweise und Übun-
gen zur religiösen Volkskunde“. Siehe Bockhorn, Liesenfeld, Vorwort (wie Anm. 190) 7.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625