Seite - 523 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 523 -
Text der Seite - 523 -
Richard Wolfram (1901–1995) 523
Interpretationen) „zum Leben erwecken“ konnte. Viele der von ihm in den folgenden
Jahren gehaltenen Lehrveranstaltungen basierten – etwas angepasst in der Diktion und
nun auf eine österreichische und europäische Volkskunde zugeschnitten – auf den Vor-
lesungen, die er bereits in den Jahren 1939–1943 an selber Stelle gehalten hatte, wie der
Vergleich der Originalmanuskripte aus seinem Nachlass zeigt192. Seine Forschungs- und
Lehrtätigkeit zeichnete sich auch nach 1945 durch eine Abschottung des volkskundlichen
Wissenschaftsbegriffs gegen methodische und inhaltliche Innovationen und neue Frage-
stellungen aus anderen Fachbereichen wie etwa der Soziologie aus, die er als ideologisch
motivierten Extremismus zurückwies193.
Krönende Anerkennung seiner wissenschaftlichen Karriere stellte seine Mitgliedschaft
in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dar, zunächst seit 1968 als korres-
pondierendes und ab 1971 als wirkliches Mitglied, wodurch die beiden „Männerbund“-
Freunde Höfler und Wolfram sich in der Akademie wieder vereint sahen. Daneben erhielt
er zahlreiche nationale und internationale öffentliche und akademische Auszeichnungen,
darunter das Österreichische Ehrenkreuz erster Klasse für Wissenschaft und Kunst im
Jahr 1977. Nach seiner Emeritierung 1971/72 betreute Wolfram noch bis 1979 Disserta-
tionen. In den folgenden Jahren widmete er sich der Regelung seines wissenschaftlichen
Nachlasses (darunter das Material des „Österreichischen Volkskundeatlas“), der in das
vom Land Salzburg mitbegründete „Salzburger Landesinstitut für Volkskunde. Richard-
Wolfram-Forschungsstelle“ einging194 sowie seinen Aktivitäten in der Volkstanz- und
Brauchtumsszene. Als Richard Wolfram am 30. Mai 1995 in Traismauer/Niederösterreich
verstarb, stand er im Ruf eines „Doyen der österreichischen Volkskunde“.
192 Siehe auch Bockhorn, Kampf (wie Anm. 5) 17–18.
193 Siehe Richard Wolfram, Um den Begriff der „Gemeinschaft“. Bemerkungen zu der Arbeit von H.
Fielhauer, „Maulgabe und Mahlgemeinschaft“, in : Österreichische Zeitschrift für Volkskunde (Neue Serie
28, Gesamtserie 77, H 2, Wien 1974) 143–152, hier 144.
194 Das Institut wurde am 05.11.1983 offiziell vom damaligen Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer
feierlich eröffnet, der Wolfram dabei als „den Nestor der österreichischen Volkskunde“ ehrte. In dem anläss-
lich der Institutseröffnung herausgebenen 1. Band der Salzburger Beiträge zur Volkskunde werden volks-
kundliche Arbeiten aus der NS-Zeit noch vollkommen unproblematisiert in die Entwicklungsgeschichte der
Disziplin eingebaut. Siehe : Das Salzburger Landesinstitut für Volkskunde. Richard-Wolfram-Forschungs-
stelle. Ein Institut stellt sich vor, hg. vom Salzburger Landesinstut für Volkskunde (Salzburger Beiträge zur
Volkskunde 1, Salzburg 1986), insbes. 11 und 20–21. Erst unter der neuen Institutsleitung der Volkskund-
lerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann begann eine kritische Aufarbeitung des Wolfram-Nachlasses. Im Jahr
1994 kam es schließlich durch einen Regierungsbeschluß der Salzburger Landesregierung zu einer Statu-
tenänderung, wodurch die Zusatzbezeichnung „Richard-Wolfram-Forschungsstelle“ gestrichen wurde.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625