Seite - 535 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 535
Historiker Spanns Hang zum Dogmatischen, in dem nicht mit einem geschichtlichen
Wandel gerechnet wurde, gestört habe31.
Intensiver als von Spann ließ sich Borodajkewycz vom Historiker Srbik beeinflussen.
Dieser, Ordinarius für Geschichte der Neuzeit an der Wiener Universität, amtierte 1929/30
als parteiloser Bundessminister für Unterricht in der Regierung Johann Schobers32 und
sollte als eine Art „graue Eminenz“ hinter allen Stufen der frühen wissenschaftlichen
Karriere Borodajkewycz’ stehen. Am Institut für österreichische Geschichtsforschung
besuchte Borodajkewycz als ordentliches Mitglied 1929–1931 den 37. Ausbildungskurs
und erhielt ein zehnmonatiges Stipendium in der Höhe von 96 Schilling monatlich. Am
Institut wurde dessen Direktor Hirsch sein Mentor33. Srbik waltete allerdings als einfluss-
reicher Gutachter der Instituts-Hausarbeit Borodajkewycz’ über den Bischof von Bres-
lau und Kardinal Melchior von Diepenbrock (1776–1853)34. Er beurteilte die Arbeit als
schätzbaren Beitrag zur inneren Geschichte des deutschen Katholizismus und lobte vor allem
Borodajkewycz’ historische Methode. Srbik schrieb auch : Wärme des Empfindens vereint
sich in dieser kleinen Arbeit mit Geistigkeit. Mit Rücksicht auf die verhältnissmässig enge Be-
grenztheit des zu Grunde liegenden Materials und des daraus erfliessenden Ergebnisses, wobei
das Wesentliche in der Literatur bereits zu finden sei, bewertete er sie mit gut35. Die Staats-
prüfung am Institut legte Borodajkewycz im Dezember 1931 mit sehr gutem Ergebnis ab
und wurde nur vom vorzüglichen Ergebnis des Mediävisten Konrad Josef Heilig überbo-
ten36. Mit seinem Prüfungsergebnis am Institut, das zuvorderst als Ausbildungsstätte für
wesen sei, was aber seine eigenen Angaben aus dem Jahr 1932 nicht bestätigen. Damals sprach er von fünf
Semestern ab dem September 1928, siehe UAW, PH RA 11294 TB, Lebenslauf (Februar 1932).
31 Interview Ackerl (wie Anm. 27) 22 : Ich war und bin ihm durchaus dankbar für das, was ich von ihm bekommen
habe, konnte aber dann als Historiker und Schüler von Srbik nicht bei allem mit. Spann hatte einen Hang zum
Dogmatismus in der Wissenschaft und nun ist der Historiker und ein Anhänger der deutschen historischen Schule
sich viel zu sehr bewußt des Wandels in der Geschichte, auch in der Geisteswelt, als daß er auf einem solchen Stand-
punkt stehen bleiben könnte, der ein gewisses System verabsolutiert.
32 Pesditschek, Heinrich (Ritter von) Srbik (wie Anm. 7) 283.
33 Er hörte auch kunstgeschichtliche Vorlesungen von Julius von Schlosser und Karl Maria Swoboda, siehe UAW,
PH RA 11294 TB, Lebenslauf (Februar 1932).
34 IÖG, Archiv, Akten 37. Ausbildungskurs (1929–1931), Prüfungszeugnis Taras Borodajkewycz vom 17.12.1931.
Für Kopien der Unterlagen danke ich Karel Hruza herzlichst. Siehe auch Leo Santifaller, Das Institut für
österreichische Geschichtsforschung. Festgabe zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Wien Haus-,
Hof- und Staatsarchivs (Veröff. des IÖG 11, Wien 1950) 146 ; Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für
österreichische Geschichtsforschung 1854–1954 (MIÖG Erg.-Bd. 17, Graz/Köln 1954) 375. Zu 37. Ausbil-
dungskurs gehörten u. a. Anton Julius Walter, Konrad Josef Heilig und Hans Krupicka-Wohlgemuth an.
35 IÖG, Archiv (wie Anm. 34). Thema der Hausarbeit war „Studien zu Melchior von Diepenbrocks Regensbur-
ger Zeit, ein Beitrag zur Geschichte der konfessionellen Lage in der Zeit des Kölners Wirren“.
36 Zu ihm siehe Helmut Maurer, Konrad Josef Heilig (1907–1945). Mediävist und politische Publizist, in :
Österreichische Historiker 2 (wie Anm. 7) 621–622.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625