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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 537
Forschungsprojekt umsetzten. Seit dem 1. Januar 1932 war Borodajkewycz von der Kom-
mission für neuere Geschichte Österreichs mit der Bearbeitung und Herausgabe der Ge-
lehrtenkorrespondenz des Grafen Leo Thun, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts als
österreichischer Unterrichtsminister gewirkt hatte, betraut41. Die seit 1897 bestehende
Kommission, in deren Rahmen vor allem Quelleneditionen staatlicher Akten und Korre-
spondenzen entstanden, war nach 1918 formell nicht erneuert worden und kaum aktiv.
Sie wurde allerdings im Juni 1930 von Srbik, der seit 1902 Mitarbeiter der Kommission
war und als Unterrichtsminister amtierte, neu belebt. In die wiederbelebte Kommission
wurde nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt auch Srbik selbst zugewählt. Kurze
Zeit später erfolgte seine Wahl zum Stellvertreter des Vorsitzenden Redlich. In Zusam-
menarbeit mit dem Direktor des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Ludwig Bittner,
wurde Srbik zur treibenden Kraft der Kommission42. Die Finanzierung der Forschungs-
vorhaben der Kommission blieb trotzdem unsicher, entsprechend war auch das Projekt
der Thun’schen Korrespondenz-Edition mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert.
Ende 1934 musste Redlich dem Bundesministerium für Unterricht sogar dringend avisie-
ren, dass infolge Mangels an Mittel viele Arbeiten der Kommission gänzlich ins Stocken zu
geraten drohten. Das beträfe insbesondere die Bearbeitung des Nachlasses von Graf Leo
Thun, der sich im tschechoslowakischen Tetschen (Děčín) befand, wohin die Kommis-
sions-Mitarbeiter notwendigerweise reisen müssten43. Der tüchtige Mitarbeiter Dr. Boro-
dajkewycz konnte schon Monate lang nicht mehr honoriert werden, schrieb Redlich an den
Bundesminister44. Srbik ließ auch persönliche Beziehungen spielen, sodass sich die Situa-
tion im Jahr 1935 durch einen Erlass des Bundesministeriums weiter verbesserte und dem
Projekt 1000,- Schilling zugewiesen wurden. Dies bedeutete zu diesem Zeitpunkt eine
beachtliche Summe, denn die ganze Kommission war 1934 mit geringeren Mitteln dotiert
worden45. Gleichwohl kam es in den folgenden Jahren zu ständigen Verzögerungen von
Borodajkewycz’ Arbeit, bis das Projekt ungefähr 1941/1942 ganz eingestellt wurde. Der
41 UAW, PH RA 11294 TB, Beurteilung der Dissertation vom 04.02.1932. Siehe auch Fritz Fellner, „… ein
wahrhaft patriotisches Werk“. Die Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 1897–2000 (VKGÖ 91
Wien/Köln/Weimar 2001) 104.
42 Fellner, „… ein wahrhaft patriotisches Werk“ (wie Anm. 41) 100, und auch Zur Geschichte der Kommis-
sion für Neuere Geschichte Österreichs in http://www.oesterreichische-geschichte.at/?page_id=146 (Zugriff
31.07.2014).
43 Borodajkewycz arbeitete erstmals im Sommer 1932 in Tetschen. ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/28, Schreiben
Borodajkewycz’ an die Kommission vom 15. 02.1935.
44 Schreiben Redlichs an das Bundesministerium für Unterricht vom 06.12.1934. Zit. nach Fellner, „… ein
wahrhaft patriotisches Werk“ (wie Anm. 41) 106.
45 Erlass vom 19.01.1935. Vgl. ebd. 106. Die Summe war für die Bedürfnisse des Projekts immer noch zu gering,
Redlich hatte mindestens 100 Schilling monatlich und zusätzlich Mittel für Dienstreisen in die Tschechoslo-
wakei beantragt.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625