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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 543
eindeutig. In seinem Gauakt befindet sich im Kontext der politischen Beurteilung seiner
Person durch die NSDAP lediglich eine in diese Richtung gehende Notiz. Seine Haus-
nachbarn vermuteten in ihm einen ehemaligen katholischen Priester und berichteten
auch, dass er wegen nat. soz. Betätigung angezeigt wurde68. Einem späteren Fragebogen
gemäß wurde seine Wohnung angeblich mehrmals zwischen 1936–1938 von der öster-
reichischen Polizei durchsucht69. Borodajkewycz’ Affinität zum Nationalsozialismus hin-
derte ihn freilich nicht, der Vaterländischen Front beizutreten als dieser Schritt nach 1937
auch für illegale Nationalsozialisten möglich wurde70. Es ist jedenfalls evident, dass seine
beruflichen Angelegenheiten im neuen politischen Klima nach dem „Anschluss“ 1938 all-
mählich in Bewegung gerieten, da das neue Regime sowohl seine treuen Anhänger aus der
Ära Schuschnigg zu belohnen trachtete als auch Personal benötigte, um die Apparate zu
durchsetzen. So wurde Borodajkewycz, seit 1934 illegales NSDAP-Mitglied71, bereits am
7. April 1938 zum Staatsarchivar 2. Klasse ernannt und rückwirkend ab 1. Januar dessel-
ben Jahres in den Personalstand der Reichstatthalterei übernommen72. Nach Einführung
des Reichsbesoldungsrechts in der „Ostmark“ wurde er zum außerplanmäßigen Beamten
des Höheren Dienstes mit der Amtsbezeichnung „Staatsarchivar“ überführt73. Allerdings
erachtete Borodajkewycz den verspäteten Beginn seiner Karriere als nicht genügend ent-
schädigt und beanspruchte unter Hinweis auf seine nationalsozialistischen Aktivitäten
höhere Bezüge. Besonders hervorheben möchte ich noch, stand in seinem Ansuchen vom
29. Juli 1939 um Anrechnung seiner Vordienstzeiten und ein Einrücken in eine Plan-
stelle, daß er laut der von der Gauleitung Wien angestellten Bescheinigung alter Kämpfer der
NSDAP ist und somit einer Berücksichtigung besonders würdig erscheint74. Es traten aber
bürokratische Verzögerungen auf, so dass Borodajkewycz eine Beschwerde an die Kanzlei
68 ÖStA/HHStA, AdR, BMI/GA, 217 R, Taras Borodajkewycz, 30, Politische Beurteilung Borodajkewycz’ vom
23.11.1938.
69 Im diesem Fragebogen werden der Mai 1936, November 1937 und Januar 1938 erwähnt. ÖStA/HHStA,
AdR, BMI/GA, 217 R, Taras Borodajkewycz, Fragebogen „Alter Kämpfer“ vom 23.10.1939. Diese Angaben
sind in anderen Dokumenten des Gauakts nicht mehr zu finden. Nur in einer Beurteilung vom 26.02.1941
(ebd. 15) ist eine „Polizei-Untersuchung“ 1934 angeführt : Bezeichnend ist, dass er schon wenige Tage nach seiner
Ernennung [zum Archivaspirant] in Polizei-Untersuchung gezogen wurde wegen seiner Mitarbeiterschaft an dem
eben damals eingestellten „Oesterr. Beobachter“.
70 Ebd.
71 Zur politischen Einstellung Borodajkewycz’ siehe unten.
72 ÖStA/HHStA, SB KA HHStA, SR Personalien 2-1-7, Taras Borodajkewycz, Zl. 1365, Ernennungsurkunde
vom 07.04.1938.
73 ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/125, Ernennungsschreiben des Amtes des Reichsstatthalters an Borodajkewycz
vom 05.06.1939.
74 ÖStA/HHStA, SB KA HHStA, SR Personalien 2-1-7, Taras Borodajkewycz, Zl. 3120, Abschrift des Ansu-
chens an das Amt des Reichstatthalters vom 28.07.1939 (ohne Unterschrift).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625